Ansprache der Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit anlässlich der Feierlichkeiten zu 75 Jahre Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!


Sehr geehrter Herr Dr. Schulz,

sehr geehrter Herr Bürgermeister Tschentscher,

sehr geehrter Herr Haider,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

seien Sie im Namen der Hamburgischen Bürgerschaft sehr herzlich begrüßt zu unserer heutigen Festveranstaltung, mit der wir das 75-jährige Bestehen des Rechnungshofes der Freien und Hansestadt Hamburg würdigen möchten.


Schön, dass Sie da sind!

Meine leitenden Mitarbeiter aus dem Referat Haushalt und Finanzen muss ich leider entschuldigen, sie haben Besuch vom Prüfungsgebiet 2 zum Thema „Ordnungsmäßigkeit der Kennzahlenwerte der Bürgerschaftskanzlei“ – das duldet selbstverständlich keinen Aufschub. Wir hier wollen dieses besondere Jubiläum begehen und deswegen haben wir aus Sparsamkeit zwar nach der Mittagszeit eingeladen, aber im Anschluss an die Reden noch für alle Teilnehmenden ein Getränk vorgesehen.


Das ist übrigens auch eine wichtige Kennzahl: Die Anzahl der Teilnehmenden bei Veranstaltungen. Das ist nicht so einfach, wie man glauben mag. Der Rechnungshof muss für unsere Außenwirkung die Kennzahlen ermitteln. Da haben unsere Mitarbeitenden in Absprache mit Ihren Mitarbeitenden verschiedene Vorgehensweisen überlegt, um diese Zahlen herauszufinden. Es könnte ja leicht sein, wenn man sich bei so einer Veranstaltung wie dieser umschaut: Wir könnten die aufgestellten Stühle ermitteln und die frei gebliebenen Stühle abziehen. Das wäre jedoch zu ungenau und nicht schriftlich festgehalten – vielleicht verzählen wir uns auch, wurde entgegnet... Die Gästeliste könnte hilfreich sein… aber waren alle Angemeldeten wirklich hier im Raum? Und wie verhält es sich mit dem Datenschutz? Dann dachten meine Mitarbeitenden, sie hätten endlich eine gute Lösung: Einfach ein Foto, das müsste doch Beweis genug sein. Hätten sie gewusst, dass der Rechnungshof im Anschluss noch eine Legende verlangen würde, zu diesen Fotos nach der Mitarbeitende und Abgeordnete gekennzeichnet werden müssten, denn das sind ja nicht alles nur Besucher:innen von außen, also keine geladene Öffentlichkeit. So hätten sie sich wohl doch dafür entschieden, jeden einzelnen Gast zu bitten sich in eine Liste für den Rechnungshof einzutragen… Doch das funktioniert nicht bei den Veranstaltungen mit Minderjährigen, nicht ohne die Einwilligungen der Eltern. Während der Corona-Pandemie ist die Frage wieder in den Hintergrund gerückt. Wie ich hörte wurde sie nun wieder aufgegriffen, näheres kann ich berichten, wenn das Wortprotokoll vorliegt.


Meine Damen und Herren,

ein Staat, der keine Schwäche zeigt oder nicht bereit ist, mit Schwächen transparent und konstruktiv umzugehen, ein Staat, der keine Fehler macht, sie unter den Teppich kehrt oder nicht aus ihnen lernt, entspricht nicht unserem Streben nach einer starken und selbstbewussten Republik. So formulierte es Olaf Scholz sinngemäß vor wenigen Tagen. In vielen Ländern der Welt wird das anders gehandhabt. Systeme, in denen unwirtschaftliches Handeln und womöglich sogar Willkür oder Korruption verbreitet sind, haben vermutlich weltweit die Mehrheit gegenüber echten Demokratien. Besser sind sie deswegen nicht.


Unser System von „Checks and Balances“ als Fundament zur Herstellung und Aufrechterhaltung einer rechtsstaatlich funktionierenden Gewaltenteilung auf allen Ebenen unseres Landes brauchte zugegebenermaßen lange, um zu reifen. Aber: es hat sich bewährt und ist absolut schützenswert.


Bürgerschaft, Senat und die hamburgische Justiz arbeiten zwar nicht Hand in Hand, aber eben durchaus respektvoll miteinander– und das, wie ich finde, sehr erfolgreich.


Im zwejjahres-Takt beschließen wir Abgeordneten den Haushalt, ändern auch unterwegs noch so einiges und wachen im Rahmen unserer Kontrollpflicht über die Einhaltung unserer Beschlüsse durch den Senat und den ordnungsgemäßen Fluss der von uns auf den Weg gebrachten Haushaltsmittel -  im Interesse der gesamten Stadt. Rund 18 Mrd. Euro pro Jahr sind das. Klingt viel, aber in Wahrheit sind es ja nur rund 10 %, die nicht durch gesetzliche Leistungen, Personalkosten und ähnliches ohnehin gebunden sind.


„Wer aber wacht über die Wächter?“ An dieser Stelle kommt der Rechnungshof ins Spiel. Unsere Verfassung bestimmt, dass die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung durch einen unabhängigen, nur dem Gesetz unterworfenen Rechnungshof überwacht wird. Gewählt von uns, den Mitgliedern der Hamburgischen Bürgerschaft, und ernannt vom Senat genießen die Mitglieder des Rechnungshofes dieselbe Unabhängigkeit wie die Richter:innen unserer Stadt. Sie sind die Wächter:innen, Mahner:innen und Berater:innen der Verfassungsorgane.


Ich gebe zu, dass die Ankündigung einer Prüfung durch den Rechnungshof auf Seiten des Senats – das ist natürlich nur eine Vermutung – und für die Bürgerschaft kann ich das genau sagen, nicht immer von überschwänglicher Freude begleitet wird.


Übrigens ist das durchaus unabhängig von der jeweiligen Rolle – ich erinnere mich gut, mich noch als Oppositionspolitikerin über das Ergebnis Ihrer kritischen Prüfungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mehr als gewundert zu haben. Ihr Haus folgte der etwas ungewöhnlichen Einladung in den Fachausschuss – die Fronten blieben fachlich verhärtet.


Lieber Herr Schulz,

Ihre Kontrollen – ausdrücklich ausgenommen sind Ihre Mitarbeiter:innen – sind also vielleicht nicht immer willkommen, aber –  wenn Sie mir den Vergleich erlauben – für die Gesundheit unseres Staatswesens ebenso unverzichtbar, wie der jährliche Besuch beim Arzt.


Ihre Jahres- und Ergebnisberichte gehören zu den parlamentarischen Dickschiffen und werden nicht nur gelesen und debattiert, sondern geben Anlass und Richtschnur für eine wirksame Kritik und Selbstkritik des Senats, seiner Behörden und Ämter und unseres eigenen Hauses.

Ein sehr bestimmendes Charakteristikum Ihrer Arbeit besteht darin, dass Sie sich mit kritikwürdigen Anlässen der Vergangenheit auseinandersetzen.


Der Blick in den Rückspiegel hat sie aber nie daran gehindert, den Blick ebenso nach vorne zu werfen und sich mit übergeordneten Themen wie der Reform unseres Haushaltswesens oder internationalen Lagen wie zum Beispiel der Covid-Pandemie und ihren Auswirkungen für Hamburg auseinanderzusetzen. Die Pandemie stellte für die ganze Welt und damit auch für Hamburg eine so nie gekannte Belastungsprobe dar. Auch der Rechnungshof sah das so und veröffentlichte im Dezember 2021 einen Sonderbericht zu Corona. In diesem – so lese ich es jedenfalls – attestierte der Rechnungshof dem Senat – angesichts dieser ja in Dauer und Intensität nicht absehbaren Herausforderung – ganz gut gewirtschaftet zu haben.


Ihre Empfehlungen und Handreichungen gewähren Sie auf Augenhöhe, um die Vorteile notwendiger Veränderungen für die Verantwortlichen selbst leichter einseh- und umsetzbar zu machen. Dafür danke ich Ihnen.


Bürger:innen und die Bürgerschaft Hamburgs dürfen sich freuen, dass diese Bemühungen helfen, den Umgang mit anvertrauten Mitteln kostenbewusster, wirkungsorientierter und bürgernäher zu gestalten. Ich nehme an, dass dies auch der Grund ist, weshalb Sie sich den Chefredakteur des Leitmediums heute als Redner gewünscht haben: Damit genau dies berichtet wird. Welch wichtigen Beitrag Ihr Haus für unsere Stadt leistet und – genauso wichtig – dass die Politiker:innen sich die weisen Hinweise hinter die Ohren schreiben.


Ich komme also auf den Beginn meiner Rede zurück. Luft nach oben wird es immer geben. Wir sollten gemeinsam verteidigen, dass in einer lebendigen Demokratie mit dem Blick auch unter den Teppich eben auch Fehler hervorgekehrt werden. Das macht uns nicht Bange, das macht uns stark.

Es bleibt mir also herzlich zum 75. zu gratulieren. Wir freuen uns, dass unser Jubilar sich bester Gesundheit erfreut. Ehrenbürger Udo Lindenberg würde sagen „Ein heißer Greis“. Alles Gute für die Zukunft.


Vielen Dank!


Datum: Mittwoch, 13. Dezember 2023, 13:30 Uhr
Ort:
Rathaus, Kaisersaal