Grußwort der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit zum 648. Sankt Lukasfest der Maler- und Lackierer-Innung Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!


Sehr geehrter Herr Rath, liebe Frau Hauptpastorin Kleist,
sehr geehrte Jungmeister:innen, liebe Gäste,


in Hamburg sprechen wir gern etwas voreilig von einer Tradition, sobald etwas dreimal hintereinander stattgefunden hat. 


Da können Sie heute Abend hingegen selbstbewusst von einer sehr schönen und etablierten Tradition sprechen. Denn schon zum 648. Mal wird das Sankt Lukasfest der Maler- und Lackierer-Innung gefeiert. 


Umso mehr fühle ich mich geehrt, Ihnen die herzlichen Grüße der Hamburgischen Bürgerschaft zu überbringen, und bedanke mich für die freundliche Einladung.


Dieser traditionelle Anlass ist umso schöner, weil Sie heute auch nach vorn blicken und gemeinsam die Zukunft Ihrer Zunft feiern: die neuen Jungmeister:innen. 


Sie gestalten bald mit Mut und guten Ideen unser Umfeld und unsere Stadt – nicht nur geschmackvoll, sondern auch nachhaltig. 


Während Sie liebe jungen Maler:innen und Lackierer:innen ihre nähere Umgebung verändern und mit frischer Energie ans Werk gehen, stehen sie sicher auf einem soliden Fundament ihrer handwerklichen Ausbildung: 
Sie profitieren einerseits vom weitergegebenen Wissen aus vielen Jahrhunderten und andererseits kennen Sie moderne Techniken und gehen mit umweltfreundliche Materialien um. 
Bereits im Jahr 1375 gründeten die Hamburger Maler gemeinsam mit anderen Handwerkern eine Handwerkszunft, die Lukasbruderschaft. 


Im darauffolgenden Jahrhundert stiftete die Zunft dieser Kirche den Lukas-Altar. Er weist auf die Geschichte des Handwerks, die in unserer Stadt bis in das Mittelalter zurückreicht. 


Der Maler, der diesen Altar gestaltete war lange unterschätzt, Meister Hinrik Borneman war mit seinen Ideen der Zukunft voraus. Dieses ungewöhnliche Triptychon ist ein Argument gegen die Vermutung, dass Hamburgs Malerei im 15. Jahrhundert als provinziell abgetan werden könnte. 
Und dass der Lukas-Altar heute in dieser Pracht strahlt, geht wohl maßgeblich auf die Restaurierungsarbeiten eines ihrer Zunftkollegen zurück. 


Meister Germann aus Altona, auf den auch die Gründung des Malermuseums am Billwerder Billdeich zurückgeht, hat sich an dieser Stelle verdient gemacht, und ich finde, man darf das bei einem Anlass wie dem heutigen ruhig einmal erwähnen.


Meine Damen und Herren!
Die Bedeutung des Handwerks wird Ihnen auch durch einen Besuch in unserem Hamburger Rathaus – dem Arbeitsplatz Ihrer Abgeordneten und unserer Hamburger Regierung – deutlich. 
Bereits der Fassade treffen Sie bereits 18 Figuren, die verschiedene Berufe zeigen, darunter Tischler und Töpfer, Bierbrauer und Bäcker, Maurer und Maler. 


Damit wollten die Rathausbaumeister vor 125 Jahren zeigen, dass auch praktische Berufe in der Bürgerschaft vertreten sein sollten – und nicht nur Kaufleute, Ärzte oder Juristen.


Und sie wollten diejenigen ehren, die dieses monumentale Bauwerk in gemeinsamer Arbeit und mit aller zur Verfügung stehenden Handwerkskunst überhaupt erst ermöglicht hatten.


Liebe Gäste,
Als unser Rathaus im Neunzehnten Jahrhundert entstand, waren bei weitem nicht alle Hamburgerinnen und Hamburger als „Bürger“ anerkannt. 


Damals waren die eingeschworenen Bürger der Stadt, also diejenigen, die den Bürgereid ablegten, allesamt männlich. Sie mussten in der Lage sein, 1200 Goldmark Steuern zu zahlen und sie wiesen Grundbesitz vor. 


Erst dann durften sie über die Geschicke unserer Stadt mitbestimmen, durften wählen und gewählt werden.


Das ist zum Glück nicht mehr so. 
 
Was uns nun allerdings fehlt sind Handwerksleute im Parlament – darauf komme ich später nochmal zurück. 


Vor uns sitzen heute 4 Jungmeisterinnen neben Ihren 17 Kollegen - gleich werden sie gemeinsam ausgezeichnet. 


Sie gehören dann zur Gruppe der Spezialist:innen, auf die sich alle anderen verlassen können.
Denn wir brauchen vielfältige und zahlreiche gut ausgebildete Fachkräfte, das ist wohl inzwischen bei allen angekommen. 


Die Politik steht in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu gestalten, in denen das Handwerk seine Potenziale entfalten kann. 


Die Fachleute, die tagtäglich im Betrieb oder in der Werkstatt ihre Arbeit verrichten, sind eine der tragenden Säulen der heimischen Wirtschaft, und sie werden es gewiss auch bleiben, meine Damen und Herren. Keine künstliche Intelligenz und kein Roboter kann das, was Sie gelernt haben!


Im vergangenen Jahr wurde der Masterplan Handwerk von Senat und Handwerkskammer weiterentwickelt. 


Er schafft Rahmenbedingungen für eine gute Entwicklung des Handwerks in Hamburg und enthält Maßnahmen zur Unterstützung bei der Digitalisierung, beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien, bei der Suche nach Flächen und bei der Nachwuchsgewinnung. 


Die Meisterprämie oder die Unterstützung bei der Gründung von Handwerksbetrieben oder Finanzierung von Ausbildungsplätzen durch die IFB, die auf ein Ersuchen der Bürgerschaft zurückgehen, sind wichtige Bausteine. 
Sie sollen insbesondere den jungen Handwerksmeisterinnen und –meistern zu Gute kommen.


Liebe Jungmeister:innen,
ich möchte Ihnen, als Präsidentin der Bürgerschaft - und übrigens auch als Tochter eines Malermeisters - von ganzem Herzen gratulieren!


Mit der Ausbildung zu Meisterin oder Meister haben Sie sich für einen bodenständigen und gleichzeitig herausfordernden Weg entschieden. 


Mit dieser Entscheidung bieten sich Ihnen nun vielfältige und interessante Möglichkeiten:
Ob als angestellte Meister:in, als Gründer:in, im eigenen Betrieb eröffnen oder in einem bestehenden. 


Für welchen Weg Sie sich auch entscheiden, ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute, viel Erfolg und natürlich hoffe ich, dass Sie unserer Stadt nie den Rücken kehren.


Meine sehr verehrten Maler:innen und Lackierer:innen, 
Täglich gestalten, restaurieren und erhalten Sie (Lebens)-Räume und machen somit das Leben vieler Menschen schöner und bunter. 


Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen: Maler:innen und Lackierer:innen nehmen in starkem Maße Einfluss darauf, ob sich Menschen wohlfühlen, oder nicht. 


Vielleicht kennen Sie die Geschichten von der Maus Frederick, meine Kinder haben sie geliebt. 
Während alle anderen Mäuse den ganzen Sommer über Körner für den Winter sammeln, sammelt Frederick Sonne und Farben ein. Im grauen, kalten Winter ist dann er es, der maßgeblich dazu beiträgt, dass die Gesamtheit der Mäuse nicht an der tristen Umgebung verzweifelt. 


Frederick ist nur eine liebenswerte, ausgedachte Figur. Aber so etwas gibt es auch in der Realität. 

Welchen Einfluss eine Gestaltung solcher Räume nehmen kann, wird zum Beispiel in den Fluren der Kinderkrebsstation des Universitätskilinikums Hamburg-Eppendorf deutlich. 


Auf der Station sollen die tapferen Patient:innen gesund werden und gegen eine hartnäckige Krankheit kämpfen. 


Einige von Ihnen verbringen viel Zeit an diesem Ort. Seit Januar erstrahlen die Wände, die sie umgeben nun in den schönsten Farben der Natur und zeigen Bilder, die altersübergreifend für alle Menschen angenehm sind. 


Das soll ihnen helfen, sich trotz der schrecklichen Umstände ein bisschen wohler zu fühlen. 
Dieses Projekt entstand in einer großartigen Zusammenarbeit von vielen Kooperationspartner:innen. Dazu gehören das Kinderkrebszentrum Hamburg e.V. und viele fleißige Freiwillige aus der Maler- und Lackierer-Innung. 


Ihnen und allen weiteren Beteiligten möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen; einige sind ja heute hier.


Wir brauchen Menschen wie Sie, die andere unterstützen und sich für unsere Gesellschaft engagieren. Ich freue mich sehr, dass die Beteiligten hier gleich noch gesondert geehrt werden.


Meine Damen und Herren,
da können wir dringend auch Ihre Stimmen gebrauchen. Meckern, meckern kann jeder. Mitwirken und mitgestalten macht den Unterschied!


Dass es in der Politik bis zur Umsetzung manchmal länger als vorgesehen dauert, lässt sich wohl nicht vermeiden und ist auf die von Max Weber schon vor rund 100 Jahren festgestellte Tatsache zurückzuführen, dass Politik das starke und langsame Bohren dicker Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich sei.


Oder, anders ausgedrückt: Politik muss stets versuchen, die unterschiedlichen Interessen aller in Einklang zu bringen und zu berücksichtigen. Politik besteht aus Kompromissen!


Aber das ist für Sie alle hier ja nichts Neues: 
Mit dem Bohren dicker Bretter, mit Augenmaß und Weitsicht kennen Sie sich aus, die schnelle Erfassung der Gegebenheiten, der passgenaue Entwurf und die nachhaltige Planung sind Teil Ihrer Meisterausbildung.


Sehr geehrte Damen und Herren, 
Meisterinnen und Meister sind keine Mitläufer. Sie treten an, Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Bitte beschränken Sie das nicht auf den Beruf – Sie haben bewiesen, dass Sie Verantwortung übernehmen wollen und können. 


Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie ahnen es schon: Ich bin nicht nur als Gratulantin gekommen, sondern auch, um für unsere Demokratie zu werben und Sie zum Mitmachen zu bewegen. 


Wir stehen vor großen Herausforderungen – Fachkräftemangel, Rohstoffe, Finanzierungen und Preisentwicklungen treiben Sie und Ihre Kund:innen um, auch der Umweltschutz und unser gesellschaftliches Miteinander liegen Ihnen – genau wie mir am Herzen. 


Sie alle hier haben berechtigte Interessen! Politik und Handwerk passen in Hamburg schon lange gut zusammen, das ist durch meine Worte hoffentlich deutlich geworden. 


Im nächsten Jahr werden in Hamburg die neuen Bezirksversammlungen gewählt und das Europa-Parlament, in zwei Jahren die Hamburgische Bürgerschaft. 


Gehen Sie zur Wahl – und nehmen Sie Ihre künftigen Auszubildenden gleich mit. 
Und wenn Sie es neben Ihrem Beruf einrichten können, bringen Sie sich ein, machen Sie mit, diskutieren Sie über die Programme oder besuchen Sie die demokratischen Parteien, denen Sie sich verbunden fühlen – wenn Sie so viel Zeit investieren mögen – kandidieren Sie selbst! 
Ich würde mich freuen, Sie so oder so wiederzusehen.


Herzlichen Dank.

Datum: Freitag, 13. Oktober 2023, 16:30 Uhr
Ort:
Ev.-luth. Hauptkirche St. Jacobi