EU-Asylkompromiss, Köhlbrandbrücke und kundenfreundliches Jobcenter – die Bürgerschaft am Mittwoch

Präsidentin Carola Veit eröffnet am Mittwoch die 70. Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft in der laufenden Legislaturperiode. Die Übertragung der Sitzung erfolgt im Live-Stream und als Stream in Deutscher Gebärdensprache und zeitversetzt mit Untertiteln.

 

Aktuelle Stunde


Zu Beginn der Aktuellen Stunde möchte die LINKE-Fraktion debattieren: „Kein Mensch ist illegal – Menschenrechte statt Grenzverfahren unter Haft, faire Asylverfahren statt Abschreckung“. Hintergrund ist, dass sich die EU-Innenminister:innen Anfang Juni auf eine Reform des europäischen Asylrechts geeinigt haben. Die gerechte Verteilung der Geflüchteten innerhalb der EU und die Überlastung der Asylsysteme hatten zuvor immer wieder für Verstimmungen unter den Mitgliedstaaten gesorgt. Jahrelang wurde deshalb um eine gerechte Ausgestaltung des Asylrechts gerungen. Der gefundene Kompromiss sieht vor, dass künftig alle Ankommenden an den EU-Außengrenzen kontrolliert und registriert werden sollen. Diejenigen von ihnen, die aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent stammen, sollen innerhalb von zwölf Wochen ein beschleunigtes Prüfverfahren durchlaufen, um festzustellen, ob sie Chancen auf Asyl haben und somit ins Land gelassen werden. Des Weiteren wurde ein verbindlicher Verteilungsschlüssel innerhalb der EU vereinbart. Das EU-Parlament muss dem Kompromiss noch zustimmen. Die LINKEN kritisieren diese Verschärfung des Asylrechts. Sie bemängeln insbesondere, dass die Geflüchteten während des zwölfwöchigen Schnellverfahrens verpflichtet sind, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben.

 

Anschließend kritisiert die AfD-Fraktion: „Freie und Messerstadt Hamburg? Täglich Straftaten mit Messern oder Schusswaffen“. Die AfD-Fraktion ist der Ansicht, die Hansestadt müsse Kriminalität mit Messern besser bekämpfen. Täglich würden Hamburger:innen Opfer von Messerattacken. Zum Hintergrund: Nach Angaben des Senats hat es in Hamburg im vergangenen Jahr insgesamt 1.127 Straftaten mit einem Messer gegeben. In 815 Fällen sei mit dem Messer nur gedroht worden, in 312 Fällen sei das Messer tatsächlich auch eingesetzt worden (Drs. 22/11006). Im Jahr zuvor sind es nur insgesamt 1.088 Fälle gewesen. Sieben Personen wurden 2022 durch Messerangriffe getötet, 22 Personen lebensgefährlich verletzt (Drs. 22/10747). Bundesweit für Entsetzen gesorgt hatte jüngst eine Messerattacke in einer Regionalbahn auf Höhe Brokstedt. Dabei kamen zwei Menschen ums Leben und fünf weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Eines der verletzten Opfer beging später Suizid. In der Folge hat die Innenministerkonferenz am 16. Juni Maßnahmen für mehr Sicherheit im Bahnverkehr beschlossen. So solle es Waffenverbote und Videoaufzeichnung in Zügen und Bahnhöfen geben. Dies sei nach Einschätzung der AfD nicht genug.


Weitere Themen in der Aktuellen Stunde:

  • „Eine Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes war überfällig: Sozial verantwortungsvoller Klimaschutz braucht Akzeptanz, umsetzbare Konzepte und Verlässlichkeit“ (angemeldet von der SPD-Fraktion)

  • „Nach der gescheiterten Klimakonferenz: Die fossile Lobby zerstört unseren Planeten – wir brauchen jetzt erst recht mehr lokalen Klimaschutz“ (angemeldet von der GRÜNEN-Fraktion)


Aus der Tagesordnung (Auswahl)


Die SPD-Fraktion möchte die Antwort des Senats auf das Bürgerschaftliche Ersuchen vom 17. November 2021 „Jobcenter der Bürger:innen: Beschwerden und Konflikte niedrigschwellig und effektiv bearbeiten“ (Drs. 22/12149) sowie den Bericht des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration über das Gesetz zur Angliederung einer Schlichtungsstelle nach § 15a Zweites Buch Sozialgesetzbuch an die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichstelle (Drs. 22/12132) debattieren. Die Bürgerschaft hatte den Senat in ihrer Sitzung vom 17. November 2021 ersucht, sich im Bundesrat für eine bürokratiearme Grundsicherung und eine verbesserte Kundenkommunikation in den Jobcentern einzusetzen. Der Senat ist diesem Ersuchen nachgekommen und berichtet nun der Bürgerschaft, dass durch das neue Bürgergeldgesetz eine bürgerfreundlichere, verständlichere Kommunikation zwischen Leistungsberechtigten und Mitarbeitenden des Jobcenters entsteht. Der kooperative Ansatz in der Beratung sei gestärkt und die Fördermöglichkeiten verbessert worden. Auch der Ausbau der digitalen Angebote schreite voran und eröffne neue Beratungsformate und niedrigschwellige und unkomplizierte Angebote. Darüber hinaus soll eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden.

 

 

Anschließend schlägt die GRÜNEN-Fraktion vor: „Bildungschancen für junge, nicht mehr schulpflichtige Geflüchtete und Jungerwachsene verbessern“ (Drs. 22/12168). Die Grünen loben, dass es für minderjährige Geflüchtete bereits ein „hervorragendes Angebot“ zur Ausbildungsvorbereitung gebe, z.B. das Berufsvorbereitungsjahr für Migrant:innen. Eine Angebotslücke bestehe hingegen für junge volljährige Geflüchtete im Alter von 18 bis 21 Jahren. Es müsse daher ein Programm entwickelt werden, das den Bedürfnissen dieser Altersgruppe entgegenkomme. „Die Chance auf eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt erhöht sich deutlich, wenn es ihnen ermöglicht wird, den Schulabschluss in einem geregelten schulischen Ausbildungsgang nachzuholen, um schließlich in Zusammenarbeit mit den Hamburger Berufsbildenden Schulen selbstbestimmt in eine Erwerbsbiografie zu starten“, so die GRÜNEN in ihrem gemeinsamen Antrag mit der SPD. Nach Ansicht der beiden Fraktionen soll das vom Senat neu zu entwickelnde Programm drei Etappen beinhalten: Zunächst gelte es, mögliche Perspektiven für die Geflüchteten zu erarbeiten, anschließend solle ein Erster oder Mittlerer Schulabschluss erworben werden und schließlich eine Begleitung in Ausbildung und Beschäftigung erfolgen.

 

Zum Schluss der Sitzung möchte die CDU-Fraktion die Antwort des Senats auf das Bürgerschaftliche Ersuchen vom 18. August 2021: „Neue Köhlbrandquerung – Parlamentarische Beteiligung und Transparenz herstellen!“ (Drs. 22/12110) debattieren. Darin berichtet der Senat zum aktuellen Planungsstand des Neubaus der Köhlbrandquerung. Aufgrund der fortschreitenden Materialermüdung ist eine Sanierung der Köhlbrandquerung technisch und wirtschaftlich kaum mit vertretbarem Aufwand möglich. Stattdessen beabsichtigt der Senat den Bau eines Bohrtunnels. Die Vorplanung sei nunmehr abgeschlossen. Eine Nutzungsdauer von 130 Jahren wurde festgelegt, die Fahrbahnbreiten und Tunnelquerschnitte sind an die künftigen Bedarfs- und Nutzungsszenarien angepasst worden und auch eine umfassende Untersuchung von Trassenvarianten wurde durchgeführt. Auf dieser Planungsgrundlage sei eine Kostenschätzung vorgenommen worden. Danach werden sich die Kosten auf etwa 5,31 Milliarden Euro belaufen. Angesichts der erheblichen Kosten will der Senat im nächsten Schritt prüfen, ob sich die Kosten durch eine andere bauliche Konstruktion des Tunnels reduzieren lassen. Auch der Neubau der Brücke werde noch einmal erwogen.


Alle weiteren Themen finden Sie in der Tagesordnung.


Sie können die Sitzung ab 13:30 Uhr im Live-Stream und – zeitversetzt – als Live-Stream mit Untertiteln verfolgen. Für hörbeeinträchtigte Menschen bieten wir ebenfalls einen Live-Stream der Bürgerschaftssitzungen an.


Alle Debattenbeiträge finden Sie am Folgetag zum Anschauen und Herunterladen in unserer Mediathek.