Rede des Alterspräsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft, Karl-Heinz Warnholz, anlässlich der konstituierenden Sitzung

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Es gehört zur guten Tradition dieses Hauses, dass der Alterspräsident sich zu Wort meldet, dabei erlaube ich mir, einen Rückblick in die Vergangenheit zu werfen und einen kurzen Ausblick in die Zukunft zu geben.

 

Ein Wahlperiodenwechsel bringt immer mit sich, dass wir uns von Kolleginnen und Kollegen aus der Bürgerschaft verabschieden müssen und neue Mitglieder begrüßen dürfen. Dieser Wandel ist ein Wesen der Demokratie, den der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss einmal als „Herrschaft auf Zeit“ bezeichnet hat.

 

Zu denjenigen, die nicht mehr dem Parlament angehören werden, zählen Politikerinnen und Politiker wie Barbara Nitruch, Robert Heinemann, Christa Goetsch, Dr. Thomas-Sönke Kluth oder Kersten Artus. Unabhängig davon, welcher Fraktion sie angehörten, es waren Abgeordnete, die mit Herz und Leidenschaft für ihre Überzeugung in der Bürgerschaft gestritten und andere für ihre Ideen begeistert haben. Wir danken für ihre langjährige verdienstvolle Arbeit und sind fest davon überzeugt, dass sie auch an anderer Stelle ihr engagiertes Wirken zum Wohle unseres Gemeinwesens einsetzen werden.

 

Sie gelten damit sicher auch als Vorbild für die Abgeordneten, die wir als neue Mitglieder in der Bürgerschaft begrüßen dürfen. Manche von Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verfügen bereits über frühere Parlamentserfahrung, andere sind erstmals in die Bürgerschaft gewählt worden – insgesamt machen Sie etwas mehr als ein Drittel der Abgeordneten gegenüber der letzten Wahlperiode aus.

 

Weil es die Zeit nicht zulässt, werden Sie sich sehr schnell, sehr sorgsam und umfassend in die Themen und die Arbeitsweise des Parlaments einarbeiten müssen. Dabei sollten Sie von den Erfahrenen unterstützt werden, denn – und damit richte ich den Blick auf die Pressetribüne und die Logen – die Medien und die Öffentlichkeit werden unsere Arbeit von Anfang an kritisch begleiten.

 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie viel Freude und auch Zufriedenheit in ihrer parlamentarischen Arbeit finden werden und dabei niemals einen Grundgedanken aus dem Blick verlieren: Politische Mandate sind ein kostbares Gut und beruhen auf dem Vertrauen, das uns die Wählerinnen und Wähler entgegenbringen.

 

Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine persönliche Anmerkung: Ich bin seit 1997 Mitglied der Bürgerschaft, und wenn ich sehe, wie niedrig auch diesmal die Wahlbeteiligung ausgefallen ist, dann macht mich das sehr betroffen. Nur rund 57 Prozent aller Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben. Es darf uns nicht ruhig lassen, wenn Menschen sich bewusst abwenden und sich gegen diese Möglichkeit der Teilhabe entscheiden.

 

Und ich kann uns alle nur dazu ermuntern: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wieder mehr Hamburgerinnen und Hamburger Vertrauen in die Politik gewinnen und der hohe Anteil an Nichtwählerinnen und Nichtwählern endlich abnimmt.

 

Meine Damen und Herren!

 

Schon häufiger haben wir erlebt, dass neue Parteien in dieses hohe Haus eingezogen sind. Einige von ihnen haben sich als politische Kraft etabliert, andere haben nur kurz die Geschicke der Stadt mitbestimmt. Auch das ist ein Zeichen lebendiger Demokratie. Was unser Handeln in der Bürgerschaft aber kontinuierlich auszeichnet, ist das Rückbesinnen auf jene Tugenden, die unsere Freie und Hansestadt nach dem Neuanfang von 1945 geprägt haben.

 

Ich betone dies besonders, weil wir in diesem Jahr den 70. Jahrestag des Kriegsendes begehen.

 

Hamburg darf sich glücklich schätzen, dass außergewöhnlich tüchtige Männer und Frauen in der Bürgerschaft und im Senat die Geschicke dieser Stadt lenken konnten – klug und mit Augenmaß, fair im Umgang miteinander und dabei immer versöhnlich und verbindlich eingestellt. Dafür stehen Namen wie Adolph Schönfelder, Max Brauer, Paul Nevermann oder Paula Karpinski und Emilie Kiep-Altenloh.

 

Sie waren geprägt von der schrecklichen Zeit des Nationalsozialismus, hatten Verfolgung, Krieg, Emigration und Unfreiheit erlebt. Und sie waren überzeugt davon, dass nur ein freiheitlicher, demokratischer und toleranter Rechtsstaat dazu befähigt ist, den Sorgen und Wünschen seiner Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden und die Zukunft zu gestalten. In diesem Geiste wurde Hamburg nach 1945 wieder aufgebaut.

 

Die Überzeugungen und Geisteshaltungen dieser Politikerinnen und Politiker der Nachkriegszeit haben aber unverändert Gültigkeit – sie sollten auch weiterhin unsere Arbeit als Abgeordnete prägen.

 

Die Aufgaben, die in den kommenden fünf Jahren vor uns liegen, sind zweifellos sehr groß, und die Ziele nur erreichbar, wenn wir verantwortungsbewusst die parlamentarischen Spielregeln annehmen und unsere verteilten Rollen als Mehrheitsfraktionen und Oppositionsfraktionen wahrnehmen.

 

Denn: Unsere Freie und Hansestadt als „Tor zur Welt“ zu repräsentieren, ist eine große Ehre, ihren Stellenwert als moderne, lebenswerte Metropole auszubauen und zu sichern, darf und wird aber niemals allein Aufgabe des Senats sein. Diese Entwicklung muss stets durch ein starkes, selbstbewusstes und unabhängiges Parlament begleitet werden. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die Mut und Kraft erfordert und der wir Abgeordnete uns verpflichtet fühlen. Umso mehr wünsche ich der 21. Hamburgischen Bürgerschaft und uns allen gutes Gelingen und viel Erfolg für die neue Legislaturperiode.

 

Vielen Dank!


Zeitpunkt: 15:00 Uhr

Ort: Rathaus, Plenarsaal