Grußwort der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit, anlässlich des Abschiedsempfangs für Frau Chen Hongmei, Generalkonsulin der Volksrepublik China

Reden des Präsidiums

15.02.2012

Grußwort der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit, anlässlich des Abschiedsempfangs für Frau Chen Hongmei, Generalkonsulin der Volksrepublik China

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Doyen!
Sehr geehrter Herr Senator!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Aber vor allem: sehr geehrte, liebe Frau Chen!

Der Anlass, zu dem wir uns heute versammelt haben, ist ein bisschen ein trauriger, und dennoch erlaube ich mir, in diesem Zusammenhang auch von Glück zu sprechen. Aber eins nach dem anderen.

Traurig sind wir vor allem deshalb, weil es um Ihren Abschied als Generalkonsulin aus Hamburg geht. In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben Sie dieses Amt in unserer Heimatstadt mit Herz und mit Leben gefüllt und sich um die Freundschaft zwischen der Volksrepublik China und Hamburg verdient gemacht. Auf diese Leistung dürfen und sollten Sie – bei aller Bescheidenheit, die Sie auszeichnet – sehr stolz sein.

In Hamburg jedenfalls können wir uns sehr glücklich schätzen, dass Sie die Geschicke des Generalkonsulats mit so großer Umsicht geleitet haben. Auch wenn Ihre Zuständigkeit ebenso auf Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein fiel, so hat unsere Hansestadt doch schon immer einen zentralen Platz in Ihrer Arbeit eingenommen.

Denn: Gleich drei Mal hat Sie, verehrte Frau Chen, der diplomatische Dienst nach Hamburg bzw. nach „Hanbao“, wie es in Ihrer Sprache heißt, geführt. Bereits von 1990 bis 1994 waren Sie Konsulin des chinesischen Generalkonsulats. Nachdem Sie im Anschluss sieben Jahre lang für das Außenministerium der Volksrepublik gearbeitet hatten, kehrten Sie 2001 das erste Mal an die Elbchaussee zurück – in Ihrer neuen Funktion als stellvertretende Generalkonsulin.

Es folgten Stationen als Botschaftsrätin in Luxemburg und in Polen, bis Ihnen 2009 in Hamburg das Amt der Generalkonsulin übertragen wurde. Als Diplomatin sind Sie es wahrlich gewohnt, fremde Länder zu bereisen und dort, wenngleich nur für kurze Zeiträume, sesshaft zu werden.

Mit Ihrem ureigenen liebenswerten Charme und einer selbstlosen Hilfsbereitschaft haben Sie es immer verstanden, freundschaftliche Bande zu knüpfen und sich dabei stets auf Augenhöhe mit den Menschen auszutauschen – das, verehrte Frau Chen, zeichnet Ihre Arbeit in Hamburg und auch für Hamburg aus; und so haben wir Sie von Seiten unseres Landesparlaments kennen- und schätzen gelernt.

Sie werden uns als äußerst verlässliche Partnerin in Erinnerung bleiben, die uns in vielen deutsch-chinesischen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stand. Die große Unterstützung, mit der Sie uns bei der Vorbereitung auf die Delegationsreise nach Shanghai im Jahre 2009 geholfen haben, ist nur eines von zahlreichen Beispielen, die unsere direkte Zusammenarbeit bereicherten.

Umso mehr fühle ich mich im Namen der Hamburgischen Bürgerschaft geehrt, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen und Ihnen, liebe Frau Chen, für Ihre geleistete Arbeit ganz im Zeichen der Freundschaft unserer Völker zu danken.

Meine Damen und Herren!

Heute leben mehr als 10.000 Menschen chinesischer Herkunft in der Metropolregion Hamburg. Dass im August 2012 bereits zum vierten Mal „China Time“ stattfindet und unsere Hansestadt rund zwei Wochen lang ganz im Zeichen des Drachens stehen wird, ist Ausdruck der tiefen Verbundenheit, die wir füreinander empfinden. So verwundert es nicht, dass für viele Chinesen „Hanbao“ längst zu ihrer „zweiten Heimat“ geworden ist.

China scheint so weit weg und ist bei genauerem Hinsehen dann doch so nah: Sie, Frau Generalkonsulin, sind in der chinesischen Provinz Jiangsu geboren. Ein Jahr zuvor war in Berlin der gebürtige Hamburger John Rabe gestorben, der in den Jahren 1937 und 1938  in der Hauptstadt Ihrer Provinz, in Nanking, der kaum vorstellbaren Zahl von 200.000 Chinesen während der japanischen Besatzung das Leben gerettet hat.

Ich weiß nicht, ob dies Ihr Verhältnis zu Hamburg beeinflusst hat, sehr geehrte Frau Chen, aber es erleichtert mir ein wenig, auch dunkle Kapitel unserer Vergangenheit anzusprechen.

Wenn wir uns auf Spurensuche in unsere Stadt begeben und herauszufinden versuchen, wo die Anfänge der chinesischen Einwanderung liegen, dann müssen wir bis in die 1890er-Jahre zurückgehen – dem Zeitalter der Industrialisierung und der Dampfschifffahrt.

In dieser Zeit blühte der Handel mit dem asiatischen Kontinent auf. Dank einer direkten Schifffahrtslinie zwischen Hamburg und Shanghai importierten hanseatische Kaufleute vor allem Tee, für den sich in unserer Stadt ein höchst lukrativer Absatzmarkt entwickelte; so manche Geschäfte sind heute noch zu finden.

Mit den Schiffen gelangten auch chinesische Heizer und Seeleute aufs Hamburger Festland. In der Hoffnung, in der Fremde ein neues Leben beginnen zu können, ließen sie sich bei uns nieder – und das mitten auf St. Pauli!

In der Nähe der Großen Freiheit entstanden in den 1920ern in der Schmuck- und Talstraße viele Tanz- und Esslokale, Cafés, Wäschereien, Tabakgeschäfte oder Seemannsheime. Selbst ein Tätowierer soll damals schon seine Kunst angeboten haben.

Sie alle prägten durch ihre Vielseitigkeit und einen starken Unternehmergeist das multikulturelle Bild von St. Pauli, das zunehmend auch viele Hamburger und auch so manche Hamburgerin ins „Chinesenviertel“ lockte.

So kam es zu einer ganzen Reihe von deutsch-chinesischen Liebes-Partnerschaften, die ein Beobachter wie folgt interpretierte:

„Der Chinese … entspricht dem weiblichen Ehe-Ideal sehr viel besser als der deutsche Mann.“ Ein weiterer Autor ergänzte: „Chinesische Männer hoben sich vom Arbeitermilieu … ab, … galten als ausgesprochen fürsorglich gegenüber ihren Kindern und kochten meist selber sehr gerne, was der einen oder anderen Frau sicherlich gut gefiel.“

Meine Damen und Herren!

Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten gerieten auch die rund 2.000 chinesischen Einwanderer in den Fokus der menschenverachtenden Rassenpolitik. Ihren schlimmsten Höhepunkt fand die Verfolgung 1944 in der sogenannten „Chinesenaktion“ der Gestapo, bei der 129 Männer verhaftet, misshandelt und 17 ermordet wurden.

Die allermeisten chinesischen Einwanderer, die das große Glück hatten, diese Schandtaten zu überleben, kehrten nach Ende des Zweiten Weltkriegs in ihre Heimat zurück. So verschwand das Chinesenviertel aus dem Stadtbild St. Paulis.

In diesem Jahr hat die Hamburgische Bürgerschaft anlässlich des Holocaust-Gedenktages im Rahmen einer szenischen Lesung auch an dieses grausame NS-Kapitel unserer Stadt erinnert.

Verehrte Gäste!

Wenn wir trotz dieser Vergangenheit heute ganz selbstverständlich von unserem „Nachbarn China“ sprechen, wie das unser Ehrenbürger und Altkanzler Helmut Schmidt gerne tut, dann hat dies mit den gemeinsamen politischen Weichenstellungen beider Länder zu tun. Nach einer jahrzehntelangen, vom Kalten Krieg dominierten Distanzierung, nahmen 1972 die Volksrepublik China und die Bundesrepublik Deutschland ihre Beziehungen wieder auf.

Damit lösten sie auch in Hamburg eine Vielzahl von diplomatischen Annäherungen und Wirtschafts-Kooperationen aus, von der unsere Hafenstadt, das oft zitierte „Tor zur Welt“, bestens profitierte – politisch, ökonomisch und vor allem im menschlichen Miteinander.

Die seit 25 Jahren bewährte Städtepartnerschaft mit Shanghai und der erfolgreiche Handel mit dem „Reich der Mitte“ zählen dazu.

Zahllose Kontakte auf wissenschaftlicher, kultureller und juristischer Ebene sind entstanden und untermauern die Verständigung zwischen unseren befreundeten Völkern nun seit vielen Jahren – und ermöglichen auch den offenen Dialog in Rechtsfragen, bei denen wir unterschiedliche Auffassungen haben.

Und Sie, verehrte Frau Chen, haben Ihren Beitrag dazu geleistet, dass diese gewachsene Verbindung in der jüngsten Zeit noch enger wurde. Bei Ihrem Abschiedsbesuch im Rathaus haben Sie mir vor wenigen Tagen erzählt, wie schwer Ihnen der Abschied aus Hamburg fällt, der Stadt, die Ihnen so sehr ans Herz gewachsen ist. Das berührt uns sehr und zeigt, mit welch großem Engagement Sie sich für unsere Freundschaft eingesetzt haben.

Auf der anderen Seite können wir aber genauso nachvollziehen, dass Sie sich nach so vielen Jahren im Auswärtigen Dienst darauf freuen, in Ihre chinesische Heimat und damit auch in die Arme Ihres Mannes, Ihrer Familie und Freunde zurückzukehren.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren wohlverdienten Ruhestand genießen werden.

Was mich persönlich sehr freut, ist Ihr Wunsch, den Kontakt zu „Hanbao“ in jedem Fall aufrecht zu erhalten. Sie hinterlassen ja die Planungen für einen großen Umbau am Generalkonsulat; die Fertigstellung wird sicher willkommener Anlass für eine Rückkehr sein. Bitte melden Sie sich, wenn Sie hier sind – und dann treffen wir uns nicht im Rathaus, sondern zum Kaffeetrinken ohne Protokoll!

Bitte nehmen Sie die fröhliche Botschaft mit ins Reisegepäck: Sie sind in Hamburg jederzeit herzlich willkommen!

Vielen Dank!

Zeitpunkt: 18:00 Uhr

Ort: Hotel Atlantic, An der Alster 72