Ansprache der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Carola Veit beim Festakt anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Udo Lindenberg

Es gilt das gesprochene Wort!



Hochverehrter Udo Lindenberg,

sehr verehrte Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürger,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Konsularischen Korps,

liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags und der Hamburgischen Bürgerschaft,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

„Jeder Tag ist gleich lang, aber nicht gleich breit.“     

Udo Lindenberg

 

Verehrte Festgemeinde,

31 Männern und fünf Frauen hat der Hamburger Senat in den vergangenen mehr als 200 Jahren die Ehrenbürgerwürde verliehen. 

Künstlerinnen und Künstler sind darunter kaum zu finden, und Musiker sind es seit heute nun endlich zwei: 

 

auf Johannes Brahms, dem 1889 diese Ehre zuteilwurde, folgt 133 Jahre später Udo Lindenberg. 

 

Das ist ein etwas schiefes Verhältnis, denn Hamburg ist ja nicht nur eine bedeutende Handelsstadt, sondern auch eine Kulturmetropole. 

Vor ein paar Jahrzehnten war unsere Stadt gar ein Mekka der neuen deutschen Musikkultur, die „Hamburger Szene“ war republikweit bekannt, beachtet und vielfach bewundert.

 

Und einer war damals mittendrin und hat diesen Ruf entscheidend mitbegründet: Udo Lindenberg.

 

Als Udo Lindenberg 1968 aus Westfalen an die Elbe kam, konnte er trommeln, wahrscheinlich auch damals schon schnacken und überzeugen, und er wurde so zunächst Schlagzeuger bei den City Preachers mit unserer Hamburger Rocklady Inga Rumpf.

 

In diese Zeit Ende der 1960er fällt auch die Zusammenarbeit mit Peter Herbolzheimer und Jean-Jacques Kravetz, Michael Naura und Knut Kiesewetter, mit den Bands Atlantis, Emergency oder Niagara.

 

Und natürlich die Zusammenarbeit mit Klaus Doldinger, und seither war Udo Gerhard Lindenberg sonntagabends Gast in Millionen deutscher Wohnzimmer, denn mit Doldingers Band Passport spielte er die Titelmusik der „Tatort“-Krimis ein.

 

Du warst also ein geschätzter Trommler in vielen Formationen und bei zahlreichen Studioproduktionen, lieber Udo, aber eigentlich wolltest Du wohl schon damals etwas Anderes.


Dein Ding machen – das war schon immer Deine Devise, und dann erfandest Du Deine Form des Deutschrocks.

„Hoch im Norden“ war hier bei uns schon ein Hit, der Durchbruch kam mit dem Album „Andrea Doria“, und dann ging es Schlag auf Schlag.

 

Deine Musik war irgendwie anders, und anders zu sein, war nie ein Problem für Udo Lindenberg, im Gegenteil. Der Konterpart sein, ausbrechen, auch mal anecken. 

Kreativität aus dem eigenen Udoversum zu ziehen und nach außen auszuleben, das ist Dein Ding.

 

Das Nuschelige in der Stimme und die Mischung aus Rotzigkeit, Empathie, Sozialkritik und Ironie machen Dich unverwechselbar.

 

Das sägte zwar nicht an den Standbeinen der Republik, aber, es machte doch jedem deutlich, dass Udo Lindenberg sich am Muff unter den Talaren genauso störte wie an der spießigen Hanseatentümelei mancher Bürger.

 

Diesem Menschenschlag den Titel „graue Steiftiere“ zu verleihen, das versteht jeder, und es wirft daneben ein Schlaglicht auf seinen Wortwitz.


Einige der von Dir geprägten Begriffe sind inzwischen allgemeiner Sprachgebrauch, „keine Panik“ zum Beispiel; und wohl jeder weiß, was ein „Johnny Controletti“ ist.

 

Du hast früh Deine Heimatstadt Gronau verlassen, übrigens eine Gemeinsamkeit mit Johannes Brahms, den es auch früh in die Welt gezogen hatte;

die Gronauer hat es aber nicht daran gehindert, ein Udo-Lindenberg-Denkmal zu errichten und Dir vor ein paar Jahren ebenfalls die Ehrenbürgerwürde zu verleihen.

 

Auch Hamburg warst Du nicht durchgehend treu – phasenweise triebst Du Dich mehr in New York, Berlin und Schwabing rum. Am Ende fandest Du stets zur Schönen an der Elbe zurück.

 

In Deinen Worten:

 

Reeperbahn - alles klar

Du alte Gangsterbraut, jetzt bin ich wieder da.

 

– so hast Du das bekanntlich selbst beschrieben.

 

Neben eingängiger Rockmusik war in all den Jahren stets auch politisches und sozialkritisches Engagement „Dein Ding“.

 

Als der kalte Krieg vorsichtigem gegenseitigen Verständnis wich, setztest Du den „Sonderzug nach Pankow“ aufs Gleis, und warst vermutlich mit Deinem Panikorchester damals der erste gesamtdeutsch beklatschte Musiker Deiner Zeit.

 

Ununterbrochen immer nur nach oben ging es allerdings auch bei Dir nicht:

 

Ein paar Jahre wurde es etwas stiller um Dich, bis Du mit dem Album „Stark wie zwei“ wie Phönix aus der Asche stiegst, wieder in den Bühnenrausch, und 2008 zum ersten Mal Platz eins der deutschen Chartliste belegtest.

 

Da warst Du immerhin schon über 60 Jahre alt.

 

Ob Du Dir so etwas vorgestellt hattest, als Du 1973 in „Andrea Doria“ die Strophe über die Älteren im Onkel Pö erfandest, die dort als Rentnerband seit 20 Jahren Dixieland spielen, wirst Du selbst am besten wissen. 

 

So kann’s kommen, möchte man da vielleicht sagen.

 

2016 folgte dann mit „Stärker als die Zeit“ der nächste ganz große Erfolg.

Womit Du erneut bewiesen hast, dass Du nicht einer von gestern bist. Und erst in diesem Sommer hast Du mit Rekord-Zuschauerzahlen bewiesen, dass du den Menschen auch heute, fast 50 Jahre nach „Andrea Doria“, noch sehr viel zu sagen hast.

 

„Hinterm Horizont geht’s schließlich weiter!“.

 

Bei all diesen Musikgeschichten dürfen die anderen Facetten eines Ehrenbürger-Lebens nicht zu kurz kommen.

 

Überzeugt davon, auch die bildende Kunst als Ausdrucksmittel für Deine Botschaften zu nutzen, hat Dich in den 80er Jahren schon Joseph Beuys. 


Deine Likörelle waren in vielen Ausstellungen zu sehen, und eines hängt sogar im Kanzleramt in Berlin.

 

Deine Kunst kommt auch pädagogisch zum Einsatz:

 

Mit Deinem Bilder-Zyklus „Mensch sein“ zu den Zehn Geboten ist ein Arbeitsbuch für den schulischen Religionsunterricht, für Jugendarbeit und Erwachsenenbildung entstanden.

 

Und Du engagierst Dich seit vielen Jahren in Deiner Udo-Lindenberg-Stiftung, mit der Du einerseits Bildungs- und Wasserprojekte unterstützt, andererseits aber auch junge Musiker:innen und Texter:innen förderst.

 

Diese – auf den ersten Blick – vielleicht verblüffende Mischung hat nach eigenem Bekunden den Zweck, Menschen zu unterstützen, die in keine Schublade passen, und den Schwächeren auf der Welt zur Seite zu stehen.

 

Du hast diese Kombination nach dem Studium der Werke Hermann Hesses entwickelt.

„Ich rufe die Lebenden!“ stand auf dem Titel der von ihm gegründeten Zeitschrift “Vivos Voco!”, und er rief für die Opfer des Krieges und gegen den aufkeimenden Antisemitismus.

 

Du schließt Dich diesem Ruf an und entwickelst ihn weiter – auch jenseits des Mainstream in der Bunten Republik Deutschland.

 

„Man kann das alles ja schließlich nicht so lassen“, sagst Du gelegentlich.

 

Nicht ohne hinzuzufügen:

„Und wenn die Politiker nicht weiterkommen, muss hier die Nachtigall wieder helfen. Der ganze Wahnsinn muss ja mal aufhören, die Welt ist el fatalo“ – so Udo Lindenberg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

wir ehren hier und heute nicht eine Ikone oder Silhouette, sondern es geht uns um den ganzen Menschen Udo Lindenberg - mit all seinen Häutungen, mit all seinen Erfolgen und Niederlagen und mit der bewundernswerten Kraft, einmal mehr aufzustehen, als er hingefallen ist.

 

Udo Lindenberg ist ein Symbol für die weltoffene, bunte, liberale Haltung der Stadt Hamburg geworden, in der jeder sein Ding so leben darf wie er möchte – solange er dieses Recht auch allen anderen zugesteht.

 

Im vergangenen Jahr gab es ein Foto im Hamburger Abendblatt. Bildunterschrift:

Udo Lindenberg und die Elbphilharmonie: zwei Wahrzeichen auf einem Foto.

Oder, wie es die Zeitung mit den großen Buchstaben auf den Punkt bringt: ein bisschen der Uwe Seeler der deutschen Musikszene.

So ist das.


Verehrter, lieber Herr Udo Lindenberg,
sehr geehrte Fest-(Fan-)Gemeinschaft,

es ist mir eine Freude und Ehre, Ihnen bzw. Dir in diesem feierlichen Rahmen die Entscheidung der Bürgerschaft bekannt zu geben.

Mit sehr großer Mehrheit hat unser Landesparlament dem Antrag des Senats zugestimmt, Udo Lindenberg die Ehrenbürgerwürde der Freien und Hansestadt Hamburg zu verleihen.


Darüber freue ich mich sehr und darf Ihnen / Dir im Namen der Hamburgischen Bürgerschaft sehr herzlich gratulieren.


Vielen Dank!


Datum: Mittwoch, 7. September 2022, 19.30 Uhr

Ort: Rathaus, Großer Festsaal