Traueransprache der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Carola Veit zu Ehren des verstorbenen Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft Christian Weber

Staatsakt zu Ehren des verstorbenen Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft Christian Weber

 

Es gilt das gesprochene Wort!


Sehr geehrte Frau Weber-Brabant,
verehrte Trauergemeinde,
meine Damen und Herren!


„Ich werde Sie vermissen, Herr Weber!“
Das ist, so berichtet der „Weser-Kurier“, der häufigste Satz in den Abschiedsbekundungen der Bremerinnen und Bremer, die ihres verstorbenen Bürgerschaftspräsidenten mit persönlichen Worten im Kondolenzbuch gedacht haben.


„Ich werde Sie vermissen“ – einfacher und klarer kann man nicht ausdrücken, was viele Bürgerinnen und Bürger beim Tod dieses großen Hanseaten empfunden haben.


Ich schließe mich dieser Trauerbekundung gern an: 
Christian, auch ich vermisse Dich.


Bremen trägt Trauer.
Trauer um den Mann, der – als Erster unter den vom Volk gewählten Repräsentanten – so lange die Geschicke seiner Heimatstadt an mitbestimmt hat. Parlamentspräsidenten stehen in der Öffentlichkeit ja oft im Schatten der jeweils Regierenden. Zu Unrecht, denn in der Demokratie sind schließlich sie es, die am ehesten das Volk repräsentieren.


Bei allem Respekt vor Bürgermeistern, Senatoren und anderen wichtigen Repräsentanten und Repräsentantinnen der Politik: Es ist nun einmal das Parlament, das von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt wird, und der erste Repräsentant des Parlaments ist in der parlamentarischen Demokratie derjenige, der vor allen anderen sein Gemeinwesen vertritt – im Guten, wie im Schlechten übrigens.


Liebe Trauergemeinde,
als Christian Weber der Hamburgischen Bürgerschaft 2016 zum 70. Jahrestag gratulierte, da wiederholte er scherzhaft eine alte Frotzelei zwischen den Hansestädten: „Hamburg sei das Tor zur Welt und Bremen habe den Schlüssel dazu.“
Wir kennen das aus Hamburger Sicht auch – bei uns sagt man zum Beispiel: „Gott schütze uns vor Sturm und Wind und Schiffen, die aus Bremen sind.“
Diese Äußerungen über die Rivalität unserer beiden Hansestädte sind nur wenig älter als das Wissen, dass das schon lange nicht mehr stimmt. Ein so kluger Kopf wie Christian Weber wusste das nur allzu gut. Er sagte damals (quasi im selben Atemzug): „Das Gemeinsame ist längst stärker als das Trennende – gerade in der Politik und im Parlamentarismus.“


Das liegt nicht allein daran, dass unsere beiden Bürgerschaften am 30. Oktober 1946 jeweils zur konstituierenden Sitzung zusammentraten und damit auf den Tag genau gleich alt sind. Was unsere beiden Volksvertretungen verbindet, ist eine traditionell sehr bürgernahe und gleichzeitig weltoffene Politik.
Wir als norddeutsche Hafenstädte – und Stadtstaaten – ziehen schon lange in vielen Fragen an einem Strang, und Christian Weber war einer, der daran viele Jahre lang mitgewirkt hat. 

Was ich an ihm bewundert habe, ist genau diese Haltung: Das Verbindende suchen, Gräben überwinden und gemeinsam etwas gestalten. 


In der Politik bewegen wir uns in einem Spannungsverhältnis zwischen Parlament, Regierung und den Bürgerinnen und Bürgern. Christian Weber betrachtete das mit hanseatischer Ernsthaftigkeit. Er war ein strikter Verfechter der Gewaltenteilung und war überzeugt, dass die demokratische Ordnung nur dann stabil sein kann, wenn sie lernfähig bleibt. Offen mit Kritik am Bestehenden umgehen und sie produktiv verarbeiten, das war seine Devise.


Mit Sorge betrachtete er eine zunehmende Entfremdung der Menschen von der Politik und umgekehrt, er wurde nicht müde zu betonen: Wir müssen mehr auf die Leute zugehen, ihre Nöte ernst nehmen und danach handeln.
Die parlamentarische Demokratie ist eben nicht die Staatsform, in der kleine Könige bestimmen, wo es lang gehen soll. Demokratie heißt, Bedürfnisse und Vorstellungen der Menschen aufzunehmen, zu sichten, zu verhandeln und zum Wohle aller umzusetzen.

Ein ganz wichtiger Schritt dazu, die Bürgerinnen und Bürger stärker teilhaben zu lassen, ist die „Öffentliche Petition“, die in Bremen als erstem Bundesland eingeführt wurde. Sie war ein wichtiger Schritt, um die so vehement von ihm geforderte Anerkennung und Unterstützung demokratischer Prinzipien durch die Bürger zu fördern.


„Wer sich ein bisschen mokiert“, sagte er damals trocken mit Blick auf die Regierung, „sind die Ressorts, die die ganzen Petitionen abarbeiten müssen. Gelegentlich zieht der Chef der Staatskanzlei schon einmal eine  Augenbraue hoch. Aber das muss uns als Legislative ja nicht besonders beeindrucken.“
Welch‘ wahre Worte!


Diesen trockenen Humor und viele weitere wunderbare Eigenschaften wie Disziplin und Geradlinigkeit von Christian Weber durfte ich im Laufe unserer Begegnungen als Amtskollegen in den letzten fast acht Jahren kennenlernen. „Mit geradezu preußischer Disziplin erledigte er seine Aufgaben als Präsident. Unbeirrt, unbeeindruckt und untadelig“ – auch dann, wenn es der eigenen Partei und dem eigenen Senat nicht ganz in den Kram passte, so wird er zitiert.


Denn Christian Weber verstand das Amt ganz umfassend: In seiner Antrittsrede betonte er, dass er sich nicht als Schirmherr einer Parlamentsveranstaltung verstehe, sondern als politischer Präsident. In der Presse hieß es dann später: „Christian Weber hat das Amt des Bürgerschaftspräsidenten neu definiert. Weber wollte seinem Amt eine andere Komponente geben, eine moralische Autorität sein. Dabei nahm er sich schon mal Freiheiten, die in seiner eigenen Partei nicht unbedingt mehrheitsfähig waren. Mehr als einmal eckte er damit an.“
Na und?


Wer es jeder und jedem Recht machen will, wer jedem populistisch nach dem Munde redet, wer um des kurzfristigen Applauses willen seine Prinzipien und das Große und Ganze aus den Augen verliert, aus dem wird nie ein respektabler Präsident.
Und Christian Weber war einer – durch und durch.


Ich bin zweieinhalb Jahrzehnte jünger und habe noch nicht einmal die Hälfte seiner Amtszeit in gleicher Funktion gearbeitet. Insofern mag es vermessen klingen, wenn ich hier über Christian Webers Charakter spreche. Aber auch aus der Entfernung lässt sich ein bestimmter Markenkern erkennen:

  • Fast 20 Jahre war er an der Spitze der Bremischen Bürgerschaft. Das spricht für seine Standfestigkeit.
  • Er war streitlustig, aber nicht um des Streits willen. Ihm ging es stets um die Sache
  • Er mischte sich ein, wo immer er dies für notwendig hielt.
  • Die Politik solle sich mit Ehrlichkeit wieder Respekt verschaffen, war eine seiner wesentlichen Maximen.


Christian Weber war ein neugieriger und zugewandter Mensch. Das haben auch die Bürgerinnen und Bürger so empfunden. „Ich werde Sie vermissen“ – das schreiben die Menschen nicht jedem ins Kondolenzbuch.


Liebe Frau Weber-Brabant,
verehrte Trauergemeinde,
die Mitglieder der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente, unter dem Vorsitz unserer bayerischen Kollegin Ilse Aigner, aus deren Kreis ich hier heute spreche, werden Christian Weber stets ein ehrendes Andenken bewahren.


Vielen Dank!

  

Datum: Mittwoch, 20. Februar 2019, 10.00 Uhr
Ort: St. Petri Dom Bremen