Grußwort der Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Barbara Duden zum Empfang anlässlich der Mitgliederversammlung des Völklinger Kreises e. V.

Empfang anlässlich der Mitgliederversammlung des Völklinger Kreises e. V.


Es gilt das gesprochene Wort!


Sehr geehrte Herren,


was so ein Kuss in der „Lindenstraße“ alles auslösen kann.


Naja, es war eben nicht irgend ein Kuss. So wie man ihn kannte und natürlich tolerierte: Ein Mann küsst eine Frau. 


Nein. 


Damals im März 1990 in der TV-Serie „Lindenstraße“ küssten sich zwei Männer. Und das konservative Deutschland protestierte gegen diesen Tabubruch.


Für den Bayrischen Rundfunk war dieser Männer-Kuss sogar ein Grund, sich aus der ARD-Sendekette auszuklinken: Die Sittenwächter in München weigerten sich, aus moralischen Gründen eine Wiederholung dieser Folge auszustrahlen. 


Die beiden Schauspieler Martin Armknecht und Georg Uecker erhielten sogar Morddrohungen.
Der Rest der Republik schien zwar aufgeklärter. In Wahrheit  wurden Schwule und Lesben in weiten Teilen unserer Gesellschaft aber stark diskriminiert. 


Immerhin war ja auch noch der berüchtigte Paragraph 175 in Kraft. 


Er wurde erst im Juni 1994 gestrichen: nach 123 Jahren!


Liebe Mitglieder,


dieser Kuss und vor allem die gesellschaftliche Debatte waren der Auslöser, sich als Schwule im „Völklinger Kreis“ zu organisieren. Die Gründung erfolgte 1991 in Hamburg. 


Nach mehr als einem Vierteljahrhundert ist dieser Kreis auf ein Netzwerk von rund 700 schwulen Führungskräften angewachsen, und – das freut uns besonders – er trifft sich mal wieder in der Hansestadt.


Der Weg raus aus der Anonymität und dem Getto der sexuellen Selbstverleugnung war also erfolgreich, obwohl er sicherlich noch nicht zu Ende gegangen ist.


Aber, es hat sich seit der Anzeige von Martin Zölch, dem Initiator und Mitbegründer ihres Kreises als „Kapitalistenknecht“ in der Zeitschrift „magnus“ 1990 vieles zum Guten verändert.


Das sehen sie auch daran, dass ich Sie heute als Vize-Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft begrüße. 


In Hamburg leben, so wie in Köln und Berlin, viele Schwule und Lesben. Das hat sicher den Grund, dass man in der Hansestadt schon immer ein wenig toleranter war. Immerhin hissen wir seit zehn Jahren an unserem Rathaus die Regenbogenflagge, wenn die „Pride Week“ gefeiert wird.


Und aus Hamburg kamen und kommen politische Impulse zur weiteren Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen. 


Die Hamburgische Bürgerschaft war schon mehrfach bundesweiter Vorreiter in Sachen Gleichstellung von Schwulen und Lesben in der Gesellschaft.


Schon 1999 führte die damalige rot-grüne Koalition die sogenannte „Homo-Ehe“ ein. Gleichgeschlechtliche Paare konnten sich standesamtlich registrieren lassen. 


Zehn Jahre später beschloss eine schwarz-grüne Koalition, dass Hamburger Landesbeamte, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben, verheirateten Beamten gleichgestellt werden. 


Ganz vorn war unsere Heimatstadt auch mit ihrer Initiative, die „Ehe für alle“ einzuführen. Das entsprechende Gesetz ist ja nun fast genau ein Jahr in Kraft. 


Weiterhin geht von der Bürgerschaft die Botschaft aus: Schwule und Lesben vor Intoleranz und Diskriminierung zu schützen.


Dazu gehört auch, die historische Schuld und das Unrecht aufzuarbeiten, das homosexuellen Menschen unter der Nazi-Herrschaft widerfahren war.


Die Hamburgische Bürgerschaft unterstützt seit 30 Jahren die Stiftung für NS-Verfolgte, die sich bundesweit um die Aufklärung der Verbrechen an Homosexuellen im Faschismus verdient gemacht hat.  


Liebe Mitglieder des Völklinger Kreises,


schwul oder lesbisch zu sein, muss mit den Anforderungen in der Arbeitswelt nicht unmittelbar zusammen hängen.


Dennoch werden Sie auch heute noch die Erfahrung gemacht haben, dass Ihre sexuelle Orientierung in Unternehmen nicht frei ist von Vorurteilen und Getuschel.


Somit wird es vermutlich doch noch längere Zeit nötig sein, dass Sie sich mit ihrem Berufsverband für schwule Führungskräfte und Selbstständige gegenseitig helfen und unterstützen.


Dass sich dazu rund 700 Vereinsmitglieder zusammen gefunden haben, finde ich beachtlich.


Und noch auffälliger finde ich, dass die größte Gruppe nicht etwa aus der doch einigermaßen aufgeklärten Medienbranche kommt, sondern aus dem Bereich Bau.


Dort würde ich eher weniger Verständnis und Toleranz vermuten. Aber vielleicht ist das genau der Grund dafür, sich eher zusammen zu tun.


Ich wünsche Ihnen jedenfalls einen kreativen und harmonischen Verlauf ihrer Mitgliederversammlung.


Und hoffe, dass die lebensoffene Atmosphäre der Freien und Hansestadt auch etwas zum Gelingen beiträgt.


Vielen Dank.

Datum: Samstag, 13. Oktober 2018, 10 Uhr
Ort:
Moorweidenstraße 36