Eingabenausschuss kümmert sich um Beschwerden der Hamburger

Montag ist ihr Tag - und das auch in der Sommerpause. Weil das Recht der Bürgerinnen und Bürger, sich mit Bitten und Beschwerden an ihr Parlament zu wenden, unterbrechungsfrei gewährleistet sein muss, treffen sich die Mitglieder des Eingabenausschusses auch in der sitzungsfreien Zeit. An einem Montagnachmittag im August sitzen deshalb die Mitglieder an einem u-förmigen Tisch vor ihren dicken Aktenordnern. Die Ausschussvorsitzende Inge Hannemann (LINKE) bespricht sich noch kurz mit den beiden Juristinnen vom Eingabendienst der Bürgerschaft, die die Sitzung betreuen, dann ertönt die Glocke. Hannemann ruft die erste Fallnummer auf, einige Mitglieder blättern in ihren Ordnern, zwei klicken sich auf ihren Laptops zur richtigen Akte. Dann fasst das berichterstattende Ausschussmitglied zusammen, worum es bei der Eingabe geht und was der Senat in seiner Stellungnahme geschrieben hat. Konzentriert blicken alle in die Unterlagen.


Der Eingabenausschuss überprüft die Beschwerden, die Menschen im Umgang mit Hamburger Behörden haben. Im vergangenen Jahr haben 823 Petentinnen und Petenten ihre schriftliche Eingabe eingereicht, in diesem Jahr sind bis jetzt schon 519 neue Fälle eingegangen. Frauke Harms, zuständige Juristin beim Eingabendienst, rechnet daher Ende 2016 mit einem leichten Anstieg der Neuzugänge. Ob die Verbesserung einer Busverbindung für Schüler, die Kontrolle von Asbestarbeiten in einem Mehrfamilienhaus oder die Aufenthaltserlaubnis für einen mazedonischen Jugendlichen - hinter jeder Eingabe stecken Menschen, die sich vom Ausschuss Hilfe im Umgang mit Ausländerbehörde, Bauamt oder Justizbehörde erhoffen. Dafür treffen sich die 22 Mitglieder des Gremiums in der Regel jede Woche montags und zusätzlich alle zwei Wochen dienstags. Publikum gibt es dabei nicht, denn dieser Ausschuss tagt, anders als alle anderen regulären der Hamburgischen Bürgerschaft, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zu vertraulich sind die einzelnen Fälle und die Menschen, die dahinter stehen.


Breite Palette der Anliegen zeigt, "wo der Schuh drückt"


„Ich finde es wichtig, dass die Menschen die Möglichkeit haben, sich mit ihrem Anliegen an uns zu wenden“, betont Inge Hannemann die Funktion des Gremiums. Ihr Kollege Lars Pochnicht von der SPD, zugleich Schriftführer, stellt fest: „Durch die Arbeit im Ausschuss ist man den Problemen der Bürger näher. Indem man sich mit den konkreten Angelegenheiten der Menschen befasst, bekommt man besser mit, wo der Schuh drückt. Dabei handelt es sich nicht immer nur um Einzelfälle. Gerade wenn sich Themen häufen, merkt man, dass da ein größeres Problem besteht.“


Ob aus den Bereichen Verkehr, soziale Einrichtungen oder Umwelt- und Naturschutz, die Palette der Anliegen ist breit. Seit 2011 kommen die meisten Eingaben allerdings aus dem Bereich Ausländerangelegenheiten, in den vergangenen zwei Jahren machten sie fast die Hälfte der Fälle aus (s. Statistik). Doch die Verteilung der Beschwerden auf die verschiedenen Sachgebiete kann jährlich schwanken, manchmal lässt sich daran die Reaktion der Menschen auf eine geänderte Rechtsvorschrift in einem bestimmten Bereich herauslesen.


Am Montagnachmittag im Sitzungssaal sind alle konzentriert. Zu hören ist eigentlich nur das Blättern in den vielen Seiten jedes Vorgangs. Am Ende der anderthalbstündigen Sitzung werden sie 29 Fälle bearbeitet haben. Das Prozedere ist immer gleich: Ein Abgeordneter ist jeweils Berichterstatter eines Falls. In der Sitzung stellt er kurz vor, worum es geht, berichtet aus der Stellungnahme des Senats und schlägt, auch mithilfe der Empfehlung der Kolleginnen vom Eingabendienst, vor, wie der Ausschuss weiter vorgehen oder entscheiden kann. Vor der Abstimmung stehen oft viele Fragen: Wurde ein Aspekt übersehen? Kann man beiden Seiten gerecht werden? Liegt ein strukturelles Problem vor, das man unbedingt beheben sollte?


Bei der Beantwortung dieser Fragen helfen den Ausschussmitgliedern ihre unterschiedlichen Erfahrungshintergründe, ob aufgrund des Berufs oder der Familie. Einer ist in Schulangelegenheiten firm, ein anderer kennt sich im Baurecht aus. Mancher Fall wird intensiv diskutiert, die Mitglieder ringen darum, der Petentin oder dem Petenten bestmöglich zu helfen. „Hier im Ausschuss steht der Fall im Mittelpunkt“, bestärkt die Ausschussvorsitzende den Eindruck und ergänzt: „Es ist ein sehr produktives und kollegiales Diskutieren mit den anderen Mitgliedern des Gremiums.“ „Das Besondere an der Arbeit des Ausschusses ist die sehr engagierte Sacharbeit über die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg. Hier bringt die politische Arbeit besonders viel Spaß“, findet auch Jörg Hamann, Obmann der CDU.


Individuelle Eingaben können große Wirkung haben


Kann der Ausschuss dem Anliegen nicht entsprechen und erklärt es als „nicht abhilfefähig“, etwa weil die Behörde gar keinen Fehler gemacht hat, bekommt der oder die Betroffene mit dem Bescheid in manchen Fällen auch einen Hinweis, an wen er sich wenden sollte. In vielen Fällen erledigen sich auch Eingaben, weil der Senat auf die Stellungnahme hin, zu der ihn der Eingabendienst aufgefordert hat, bereits handelt und damit das Problem löst. In jedem Fall werden die Entscheidungen des Ausschusses als Empfehlung der Bürgerschaft vorgelegt, die darüber abschließend abstimmt. Die Stichworte wie etwa „Beschwerde über Abholzen von Bäumen“ oder „Gesundheitliche Folgen nach Inhaftierung“ der entsprechenden Ausschussberichte zeugen von den Anliegen der Hamburgerinnen und Hamburger, in der Parlamentsdatenbank sind sie für jedermann einsehbar. In den Berichten steht auch, ob die Bürgerschaft dem Senat etwa ein bestimmtes Vorgehen vorschlägt. Ist das der Fall, ist der Senat verpflichtet, zu berichten, was er daraufhin getan hat.


Welche Wirkung individuelle Eingaben haben können, weiß GRÜNEN-Obfrau Antje Möller aus ihrer mehr als zehnjährigen Mitarbeit im Ausschuss: „Wir können nicht immer die Lösung finden, die sich die Menschen wünschen, aber wir können helfen, Kompromissvorschläge zu machen oder bewirken, dass sich der Senat und damit die jeweiligen Behörden mit einer Angelegenheit intensiver befassen“. Wie etwa im Fall der Terminvergabe in Kundenzentren. Wiederholt trafen Eingaben zu dem Thema ein, der Ausschuss entschied, das Problem dem Senat „zur Berücksichtigung“ zu überweisen: „Der Senat sollte prüfen, ob die Besetzung der vakanten Stellen zügig möglich ist und ausreicht, die Terminvergabe wieder zu beschleunigen oder ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind“, heißt es im Bericht. Das ist sicher nur ein Beispiel, an dem deutlich wird, was Antje Möller meint, wenn sie sagt, dass der Eingabenausschuss ein „gutes Korrektiv“ sein kann. Dass das für im Ausschuss Erfahrene Anstoß für die politische Arbeit sein kann, sieht auch FDP-Obmann Daniel Oetzel: „Die Erfahrung habe ich schon gemacht, etwa am Beispiel eines Geflüchteten, der versuchte in Hamburg zu studieren und dabei auf verschiedene Hürden an der Uni gestoßen ist. Diese strukturellen Probleme habe ich - wie andere Mitglieder des Ausschusses sicher auch - zum Anlass genommen, in der Richtung etwas zu tun.“


Bevor der Ausschuss überhaupt tagen kann, sind die Mitarbeiterinnen des Eingabendienstes bereits tätig geworden. Angela Voß ist eine von ihnen. Gemeinsam mit ihren juristischen Kolleginnen bearbeitet die Sachbearbeiterin die Eingaben vorab, fordert Stellungnahmen vom Senat ein, schreibt Empfehlungen oder plant Vor-Ort-Termine. Seit 30 Jahren hat sie die ganze Bandbreite an Fällen gesehen, was und wie Behörden entscheiden. Hat gesehen, welches Schicksal hinter manchem Schriftstück steht oder welche Folgen eine gesetzliche Entscheidung auf viele Menschen hatte. Und eine Erfahrung hat sie dabei immer gemacht: Manchem Petenten hilft es schon, wenn jemand einfach mal ein offenes Ohr für sein Anliegen hat. Danach habe sich schon die eine oder andere Eingabe erübrigt.


Weitere Informationen:


Gesetz über den Eingabenausschuss (Landesrecht Online)


Kontakt zum Eingabendienst