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Ansprache zur Verlegung von Stolpersteinen

13. November 2024 Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit hielt eine Ansprache bei der Verlegung der Stolpersteine für Esther Lange, Lea Schlesinger und Gottschalk Schlesinger.

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Yelta Lange-Rotenberg,
sehr geehrte Familie Rotenberg, lieber Herr Demnig, lieber Herr Hess,
sehr geehrter Landesrabbiner Shlomo Bistritzky, sehr geehrte Damen und Herren!

Diese Stolpersteine, vor denen wir innehalten, werden künftig Passierende an drei Menschen erinnern, die vor etwa 80 Jahren hier lebten. Drei Menschen aus drei Generationen.

Esther Lange. - Sie floh im Jahr 1939 nach Holland. Dort wurde sie in Westerbork gefangen gehalten und im September 1943 mit 1.027 Menschen ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo sie drei Tage später ermordet wurde.

Ihre Tochter Lea Schlesinger kam am 20.04.1896 in Frankfurt zur Welt und wohnte zuletzt bis 1941 in Hamburg, von wo sie zeitgleich mit Oberrabbiner Joseph Carlebach und seinen Angehörigen nach Riga-Jungfernhof deportiert wurde. Dort wurde sie vermutlich am 26.03.1942 ermordet.

Ihr Sohn Gottschalk Schlesinger wurde am 21.09.1921 in Hamburg geboren. Er arbeitete in der Landwirtschaft in Neuendorf. Als das jüdische Landwerk „die Chewra“ von den Nationalsozialist:innen aufgelöst wurde, ging Gottschalk Schlesinger zunächst nach Berlin.
Im November erhielten seine Hamburger Angehörigen den Deportationsbescheid. Er kam zu seiner Familie zurück und wurde ebenfalls nach Riga deportiert und dort ermordet.

Meine Damen und Herren, 1933 lebten in dem Gebiet, das unser Stadtstaat Hamburg ist, etwa 24.000 Menschen jüdischen Glaubens.

Mindestens 8.000 von ihnen wurden deportiert, viele wurden vertrieben und die meisten von ihnen ermordet. Ende April 1945 waren noch 647 Juden in der Stadt.

Diese Opferzahlen – und Opfer sind sie alle – müssen wir nennen, um die Grausamkeit der Verbrechen der Nationalsozialist:innen zu unterstreichen.

Nur von Zahlen zu sprechen, wird den einzelnen Menschen, die hier drangsaliert oder ermordet wurden, aber nicht gerecht.

Jede Persönlichkeit, jedes Schicksal, jeder Name und jede Geschichte sollte nicht vergessen werden. Deshalb gibt es inzwischen mehr als 7.000 Stolpersteine in unserer Stadt.

Jeder von ihnen erinnert an genau eine Hamburgerin oder einen Hamburger unserer Stadt, der oder dem schreckliches Unrecht zugefügt wurde.

Diese Miniaturdenkmäler mit der glänzenden Messingplatte sind aus unserem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Die wenigsten konnten gemeinsam mit Verwandten verlegt werden.

Hier in der Hansastraße werden wir künftig über die Namen von Esther Lange, Lea und Gottschalk Schlesinger stolpern, vielleicht sogar stehen bleiben und uns vorstellen, wie sie hier vor acht Jahrzehnten als Familie zusammenkamen.

Wer noch einen Moment länger stehen bleibt, wird sich fragen: „Wie konnten die Deutschen so etwas zulassen?“

Damals gab es viele, die einfach nur ‚nichts getan‘ haben, die Nazis wählten oder sie ‚einfach machen‘ ließen.

Wie wir uns in einer vergleichbaren Situation wirklich verhalten würden, ob wir uns getraut hätten, den Mund aufzumachen oder gar Hitlers Regime direkt etwas entgegenzusetzen, ob wir Jüd:innen geholfen hätten? – Das ist schwer zu sagen.

Heute müssen wir alles dafür tun, dass sich die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte niemals und nirgends wiederholen.

Meine Damen und Herren, Hamburg setzt sich gegen Rassismus und Antisemitismus sowie jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.

Viele Hamburger:innen stellen sich aktiv der Verklärung des Nationalsozialismus entgegen.

Die Bürgerschaft hat beschlossen, dass die Bornplatzsynagoge auf dem Joseph-Carlebach-Platz im Grindel neu aufgebaut wird. Der städtebauliche Wettbewerb dafür ist gestartet.

Der Wiederaufbau ist ein deutliches Zeichen:

Jüdisches Leben hat einen festen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft. Und auch dafür, das deutlich und sichtbar zu machen, engagieren sich viele Hamburger:innen.

Mein Dank gilt allen, die das Erinnern und Gedenken möglich machen:

Ihnen, Herrn Demning, den Pat:innen – heute ist es Lufthansa Technik – und natürlich allen Mitgliedern der Initiative, die mit ihrem Einsatz das Erinnerungs-Projekt Stolpersteine möglich machen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Datum: Mittwoch, 13. November 2024, 10:00 Uhr
Ort: Hansastraße 27, 20149 Hamburg