Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Alterspräsident Niedmers,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten verehrten Damen und Herren,
soeben haben Sie mich zum 4. Mal zur Präsidentin unseres Landesparlaments gewählt.
Das ist mir eine große Ehre. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
Nach nun 14 Jahren in diesem Amt könnte ich Ihnen zurufen, „Sie kennen mich.“ Aber das trifft gar nicht zu. Mehr als ein Drittel von Ihnen sitzt heute das erste Mal als Abgeordnete oder Abgeordneter hier im Plenarsaal.
Da wartet viel Arbeit auf Sie, viel Verantwortung, aber auch immer wieder das gute Gefühl, unsere Heimatstadt an der einen oder anderen Stelle nach vorn bringen zu können. Seien Sie also herzlich willkommen!
Sie alle versammeln Beständigkeit und Wandel hier im Plenarsaal. Erfahrung wird durch frische Ideen bereichert. Fachwissen wird durch praktisches Know-How ergänzt. Jüngere und Ältere, Tischler und Tanzlehrerin, Anwältin und Arzt: Wir Abgeordneten unterscheiden uns zwar in Alter, Beruf, Herkunft und Erfahrung, aber uns eint der feste Wille, das Beste für die Zukunft unserer Hansestadt zu erreichen.
Lieber Herr Niedmers,
ich danke Ihnen für Ihre einführenden Worte als Alterspräsident.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
als Präsidentin bleibt es meine Aufgabe, die Würde unseres Landesparlaments zu wahren. Ich vertrete die Rechte aller Abgeordneten und erinnere sie zur Not an ihre Pflichten – ganz egal, welcher Fraktion sie angehören.
Das habe ich in den vergangenen drei Wahlperioden getan und das werde ich auch in Zukunft tun.
Meine Damen und Herren, liebe Gäste,
der Großteil unserer politischen Arbeit findet nicht hier im Plenarsaal statt. Aber er ist eben das Schaufenster zur Politik.
Wir erleben, dass das Ansehen von Politiker:innen nicht gerade steigt. Der Ton ist rauer geworden, auch unter uns, und manchmal hat man den Eindruck, es geht weniger darum was gesagt wird, als vielmehr wer es sagt.
Ich glaube nicht, dass das ein guter Weg ist.
Hitzige Debatten und hartes Ringen um die besten Lösungen – unbedingt. Beleidigungen und Pöbeleien – geht gar nicht.
Liebe Kolleg:innen,
ganz egal, ob Sie in der Regierungsfraktion, oder in der Opposition sitzen werden:
Wir alle haben die Aufgabe, gemeinsam um das Vertrauen der Bürger:innen in unser Parlament und in die Demokratie zu werben.
Und dabei bewerben wir ein erstklassiges Produkt: Etwas Besseres als unsere Demokratie ist jedenfalls weltweit noch nicht erfunden worden – da gibt es nichts kleinzureden.
Natürlich machen wir auf dringende Probleme aufmerksam und stoßen wichtige Debatten an. Dabei helfen Schlagzeilen und gute Reichweiten. Legen Sie Ihre Finger in die Wunde oder bewerben Sie Ihre Ideen euphorisch.
Aber bleiben Sie gleichzeitig ehrlich und sprechen Sie auf Augenhöhe mit unseren Mitbürger:innen.
Herr Niedmers sagte es bereits, das ist Extremsport, doch der zahlt sich aus.
Die größte Wahlsiegerin sollte immer unsere Demokratie bleiben.
Als ich zum ersten Mal hier stehen durfte, formulierte ich den Wunsch, unser Rathaus möge sich der Öffentlichkeit mehr zuwenden, um das Vertrauen in Politik zu stärken. Eine Herzensangelegenheit war und ist mir, dass Hamburger Kinder und Jugendliche zu überzeugten Demokrat:innen heranwachsen. Damit bin ich zum Glück nicht allein unterwegs und ich glaube, dass unsere Bemühungen in Hamburg durchaus Früchte tragen. Jedenfalls brauchen wir uns über Politikverdrossenheit bei den Jüngeren nicht zu beschweren.
Was wir außerdem nicht aus dem Auge verlieren dürfen: auch bisher politisch zurückhaltende Stadtteile wieder auf die Karte zu packen. Zwar macht die gestiegene Wahlbeteiligung wirklich Mut. Doch leider setzt sich ein Trend fort: Menschen mit niedriger Bildung und weniger Einkommen gehen seltener wählen. Bis zu 30 % Unterschied in der Wahlbeteiligung liegen zwischen manchen Statteilen.
Insgesamt ist Politik aber zum Glück wieder häufiger ein Thema am Küchentisch, beim Friseur oder auch am Tresen.
Auf den Straßen, in den Schulen, bei unseren Veranstaltungen und auch in politischen Gremien erleben wir aufgeweckte und neugierige Menschen, die Hamburg gestalten möchten – das sollten wir fördern, wertschätzen und uns auch zu Nutze machen und den Fragen und Sorgen mit aufrichtigem Interesse und guten Angeboten begegnen.
Und wir müssen uns auf den beschwerlichen Weg zu denen machen, die wir bei solchen Gelegenheiten eben nicht treffen.
Denn unser Auftrag ist klar: In einer Demokratie vertreten wir Abgeordneten die Interessen aller Menschen, auch die der Personen, die uns nicht gewählt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
unsere Stadt lässt sich nicht immer mit anderen Ländern vergleichen.
„Das Leben ist kein Highway, es ist die B73.“ Hamburg ist eben anders.
Ganz im Ernst: Der Doppel-Wahlkampf hat uns Kandidierenden mehr abverlangt, als sonst.
Ein Kraftakt war er aber auch für das Landeswahlamt und die Bezirkswahlämter. Dafür spreche ich allen Beteiligten im Namen des Hauses unseren Dank aus, ebenso wie allen Wahlhelfenden!
Nach unseren beiden Wahlen – erst Bundestag, dann Bürgerschaft – hat das ganze Land erstaunt auf Hamburg geschaut – so anders sind bei uns die Kräfte verteilt.
Das Wahlergebnis zeigt ganz deutlich, dass die Hamburger:innen ihr eigenes Ding machen. Sie unterscheiden zwischen Bundes- und Landespolitik, werfen nicht alles in denselben Topf.
Und: Mich freut die nahezu erreichte Parität hier im Saal sehr! Der Frauenanteil in dieser Wahlperiode beträgt 48,8 Prozent. Damit sind wir bundesweit erneut Spitzenreiterinnen.
Und genauso dürfen wir uns über die Vielfalt in unserem Plenarsaal freuen! Dieses Parlament ist auf dem Weg, so bunt zu werden, wie unsere Stadt, und das ist gut so.
Im Vergleich mit dem Bund und anderen Ländern zeigen unsere Wahlen auch:
Eben weil die Menschen in Hamburg täglich in Kontakt miteinander kommen, weil wir seit Jahrzehnten erfolgreich eine weltoffene Hafenstadt sind, spielt die Angst vor Vielfalt eine viel kleinere Rolle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir leben in unruhigen Zeiten. Krisen, Kriege und die sich weltweit verschiebenden Kräfteverhältnisse zwingen Europa zum Handeln. Und so wird als Welthandelsstadt, mit in Jahrhunderten gewachsenen Beziehungen, auch Hamburg seine Rolle spielen. Die Herausforderungen sind vielfältig und werden uns allen in den kommenden fünf Jahren einiges abverlangen.
Unsere Stadt kann stolz auf ihre Geschichte sein. Weil sie eben nicht alles beim Alten belässt, sondern Althergebrachtes modernisiert.
Meine Damen und Herren,
dabei müssen wir Wiedersprüche aushalten, Komplexität ertragen und mutige Lösungen aushandeln – auch dann, wenn es einen langen Atem braucht. Das Leben kommt von vorn, der Wind manchmal auch.
Meine Damen und Herren,
Rechtsextremismus und Antisemitismus nehmen in diesem Land wieder erschreckend zu. Auch bei uns in Hamburg. Dagegen müssen sich alle Demokrat:innen gemeinsam stellen.
Dabei ist Angst die schlechteste Beraterin. Aber zum Glück haben wir eine viel bessere:
Unsere Hamburger Verfassung gibt die Grundlagen unseres Handelns vor. Sie ist nicht wie ein festverwurzelter Baum. Sie liegt sicher auf dem Wasser - wie unsere Schlepper im Hafen. Ihre Stärke ergibt sich nämlich auch aus der Bewegung. Schließlich ist auch Demokratie nie fertig und so passt sich unsere Verfassung an gesellschaftliche und politische Veränderungen an.
Um unsere Demokratie zu stärken, hat die Hamburgische Bürgerschaft in der letzten Wahlperiode neben anderen Veränderungen mit großer Mehrheit beschlossen, die Präambel unserer Verfassung um neue Staatsziele zu ergänzen. Bevor ich gleich schließe, möchte ich kurz zitieren und ins Gedächtnis rufen:
„Vielfalt und Weltoffenheit sind identitätsstiftend für die hanseatische Stadtgesellschaft. In diesem Sinne und mit festem Willen schützt die Freie und Hansestadt Hamburg die Würde und Freiheit aller Menschen. Sie setzt sich gegen Rassismus und Antisemitismus sowie jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein. Sie stellt sich der Erneuerung und Verbreitung totalitärer Ideologien sowie der Verherrlichung und Verklärung des Nationalsozialismus entgegen.“
Möge diese Haltung unserem parlamentarischen Miteinander Wegweiser und Mahnung zugleich sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir alle haben das Mandat nur auf Zeit.
Es ist ein Privileg, machen wir das Beste draus!
Datum: 26. März 2025 ab 13.30 Uhr
Ort: Rathaus, Plenarsaal