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Antrittsrede des Alterspräsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft Ralf Niedmers

26. März 2025 Alterspräsident Ralf Niedmers hielt seine Antrittsrede bei der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft.

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Damen und Herren,

es besteht nun für mich als Alterspräsident das Privileg, bei dieser Gelegenheit einige Worte an Sie richten zu dürfen. Darüber freue ich mich sehr!

Die 23. Legislaturperiode hat soeben mit der Sitzungseröffnung durch mich begonnen.

Ich gratuliere daher zu allererst allen 121 gewählten Abgeordneten ganz herzlich zum Erwerb Ihrer Mitgliedschaft in der Hamburgischen Bürgerschaft.

71 Abgeordnete wurden über die 17 Wahlkreise – 50 über die Landeslisten der Parteien gewählt.

Von den 121 Abgeordneten gehörten 78 bereits schon einmal dem Parlament an. 43 Abgeordnete sind heute um ersten Mal als Abgeordnete in diesem alt ehrwürdigen Plenarsaal aktiv.

In der vorherigen Legislaturperiode besaß das Parlament 123 Abgeordnete – 2 mehr als jetzt.

Das lag an zwei Ausgleichmandaten, die in dieser Legislaturperiode nicht notwendig sind. 

Die Hamburgische Bürgerschaft ist also – was die Reduzierung von Mandaten betrifft - dem Deutschen Bundestag in beschaulichem Umfang gefolgt.

Lassen Sie mich mit einem Rückblick beginnen:
Die vergangene 22. Wahlperiode war durch viele Ereignisse und gerade zu Beginn sicherlich besonders durch die Corona-Pandemie geprägt.

Zahlreiche Plenar- und Ausschusssitzungen fanden zwischen Plexiglaswänden und nicht in voller Fraktionsstärke statt. 

Die Plenarsitzungen fanden zudem im Großen Festsaal statt.

Die Ausschüsse tagten häufig digital.

Doch mit dem Ende der Pandemie konnten wir endlich wieder in unserem wunderschönen Plenarsaal tagen.

Die erfahrenen Abgeordneten unter uns wissen, was ich meine – die neuen Abgeordneten werden es mit der Zeit auch spüren:

Hier im Plenarsaal spürt man sich gegenseitig im politischen Wettstreit – wir Abgeordnete sitzen eng zusammen – jeder kann jeden Zwischenruf wahrnehmen – sei er auch noch so unqualifiziert.

Und es gibt auch viele lustige und die Debatte bereichernde Zwischenrufe.

Und richtig fleißig war die Hamburgische Bürgerschaft auch:

  • gut 18.200 Drucksachen gab es insgesamt in der 22. Wahlperiode
  • Der Umfang dieser Drucksachen reichte dabei von einer Seite bis zu mehreren tausend Seiten wie z.B. beim Haushaltsplanentwurf 2025/2026 (Drs. 22/16000)

Wir haben immer intensiv im Sinne der Sache und der Stadt debattiert und um die besten Lösungen für unser Gemeinwesen gerungen.

Dafür gilt mein großer Dank allen ausgeschiedenen und natürlich auch allen wiedergewählten Abgeordneten.

Lassen Sie mich nun den Blick nach vorne auf die 23. Wahlperiode richten:

Brauchen wir eigentlich noch eine Debatte zur Frage „Teilzeit- versus Vollzeit-Parlament“?

Spannend waren für mich die Erkenntnisse aus der letzten Legislatur – da gaben lediglich (13 + 6) also 19 Mitglieder an, hauptfberuflich als Abgeordnete tätig zu sein.

Ich wünsche mir, dass das „Haus der Bürgerschaft“ im vereinbarten Zeitplan und frei von größeren Mängeln fertiggestellt wird.

Ich wünsche mir, das es weiter mit der Digitalisierung in der Bürgerschaft vorangeht. 

Wird es uns in dieser Legislaturperiode gelingen – so wie es in anderen Deutschen Landtagen bereits üblich ist – hier im Plenarsaal endlich digital abzustimmen?

Und ich wünsche mir ein gleichbleibend hohes Debattenniveau über die kommenden 5 Jahre – 

Denn - Politik besitzt erhebliche Parallelen zum Leistungs- und Extremsport. Abgeordnete müssen Disziplin und Fleiß mitbringen, Ausdauer, Kraft und mentale Stärke. 

Vor Wettkämpfen, genauer gesagt: vor Debatten, haben sie manchmal Lampenfieber. 

Wie Sportlerinnen und Sportler trainieren Sie täglich, sie schreiben Anfragen, fragen nach und sind als Abgeordnete 24/7 für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger erreichbar. 

Da bleibt privat so manches auf der Strecke. Aber im besten Fall werden sie mit politischen Erfolgen belohnt: Ihr Antrag wird angenommen, ihre Schriftliche Kleine Anfrage bringt neue Erkenntnisse ans Licht oder sie vermitteln zwischen zwei Gruppen und erreichen eine gute Lösung im Sinne unserer Stadt.

Aus dem Sport können wir Abgeordneten viel lernen. Als Parlamentarier mit einer gewissen Erfahrung, der schon sehr viele hat kommen und wieder gehen sehen, möchte ich Ihnen 4 Trainingstipps geben. 

1. Im Sport und in der Politik ist Teamgeist gefragt. 

Die Weltlage ist angespannt. Nach 1945 war die Gefahr eines Angriffs auf ein NATO-Mitgliedsstaat nie so groß wie heute.

Es stellen sich Fragen von Verlässlichkeit grundlegend neu. 

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine geht ins vierte Jahr und auch in Gaza schweigen die Waffen nicht.

All das bedrückt mich und erfüllt mich mit großer Sorge. Unser westliches Werteverständnis von Freiheit wird auf den Kopf gestellt und wir müssen uns ernsthaft Gedanken um unsere Sicherheit und unseren Frieden in Freiheit machen. 

Diese drängenden Fragen insbesondere zur Landes- und Bündisverteidigung werden wir auch in unserem Landesparlament bewegen müssen. 

Da ist Zusammenhalt gefragt, über Fraktionsgrenzen hinweg. 

Damit wir gemeinsam und dauerhaft unsere Freiheit und unseren Wohlstand erhalten.

Der 2. Trainingstipp: Jedes Spiel hat eigene Regeln.

Die Spielregeln unseres Hauses sind bekannt. Fairness ist geboten. Tricks sind unerwünscht. Wir gehen kollegial und respektvoll miteinander um, auch wenn die Bälle aus mehreren Richtungen geflogen kommen. 

Im Eifer des Gefechts kommt es manchmal zu Fouls, die gerade noch entschuldbar sind. Aber bei Blutgrätschen droht ein Platzverweis.

Liebe Frau Veit,
als sportpolitischer Sprecher möchte ich es mit den Worten von Franz Beckenbauer sagen:

„Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.“

Bereits 3 Wahlperioden lang waren Sie als Präsidentin unsere Schiedsrichterin, mit Augenmaß und Sinn für Gerechtigkeit. Dafür danke ich Ihnen im Namen des ganzen Hauses.

Kommen wir zum 3. Tipp: Im Sport geht es nicht um Unterschiede, sondern um Gemeinsamkeiten.

Blicken wir auf die Wahlbeteiligung, so sind wir sicherlich alle erleichtert. Sie ist mit 67,6 Prozent im Vergleich zu den letzten Wahlperioden mit 56,5 % im Jahr 2015 und 63,3 bei der letzten Wahl deutlich angestiegen. Die Hamburgerinnen und Hamburger haben offenbar den Ernst der Lage erkannt. Sie wissen, was für uns alle auf dem Spiel steht und setzen damit ein deutliches Zeichen für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.

Und damit sind wir beim 4. Hinweis: Wer Erfolge erzielen will, muss für passende Rahmenbedingungen sorgen.

Dem zunehmenden Extremismus müssen wir geschlossen entgegentreten. Wir müssen uns gegen Kräfte in unserem Land wappnen, die unsere Demokratie schwächen wollen. Denn wer fair spielt, aber gegen unfaire Gegner kämpft, muss bei den Regeln nachbessern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
uns allen stehen herausfordernde Jahre bevor, in denen sich die Schlagzahl an Themen vielleicht einmal mehr erhöhen wird.

Schließen möchte ich mit einem Zitat einer Grand Dam dieses Parlaments, die sage und schreibe sechsmal als Alterspräsidentin die erste Sitzung einer Legislaturperiode eröffnet hat.

Zugleich verspreche ich Ihnen, das ich nicht anstrebe, sechs Mal Alterspräsident der Hamburgischen Bürgerschaft werden zu wollen!

Charlotte Fera hat von dieser Stelle vor 38 Jahren gesagt: „Eine gute Regierung muss auch den Mut haben zu notfalls unpopulären Maßnahmen, wenn diese dem Wohle des ganzen dienen. 
Mit Tagesantworten auf existentielle Fragen der Menschen lassen sich auf Dauer keine Probleme lösen und auch keine Wählerstimmen gewinnen.“

In diesem Sinne wünsche ich auch der gesamten Bürgerschaft in den kommenden 5 Jahren den Mut zu den erfoderlichen Antworten auf die existentiellen Fragen unserer Zeit zum Wohle unserer Stadt.

Datum: 26. März 2025 ab 13.30 Uhr
Ort: Rathaus, Plenarsaal