Ruth Peggy Sophie Parnass wurde am 11. Oktober 1927 in Hamburg als Kind jüdischer Eltern geboren. Ihre Mutter schickte Peggy Parnass und ihren Bruder 1939 mit einem Kindertransport nach Schweden und rettete so ihr Leben. Peggy Parnass‘ Eltern wurden in das Warschauer Ghetto deportiert und später in Treblinka ermordet.
In ihrer Geburtsstadt wurde Peggy Parnass sehr geschätzt. Viele Jahre gehörte sie zum Stadtbild ihres Heimatviertels St. Georg. Sie war eine feste Größe in der Hamburger Kulturszene. Im vergangenen Jahr war Peggy Parnass Ehrengast der Gedenkveranstaltung von Bürgerschaft und Senat zum 8. Mai. Im September 2024 ehrten Freunde und Wegbegleiter sie mit einer Matinee im Ernst-Deutsch-Theater. Es war einer ihrer letzten öffentlichen Auftritte.
Präsidentin Veit: Parnass war wichtige Stimme der Erinnerungskultur
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit würdigte Peggy Parnass und betonte, dass ihr Tod ein schwerer Verlust sei. Die vielen Begegnungen mit ihr, zuletzt im September, bleiben in warmer und lebhafter Erinnerung, so Veit weiter. „Peggy Parnass hat als Autorin, legendäre Gerichtsreporterin, Antifaschistin, Jüdin, Feministin, Chronistin, aber vor allem als wichtige Stimme für Erinnerungskultur, Toleranz und Minderheitenrechte ihre Spuren hinterlassen. Ihre starken Worte als Gast bei unseren Gedenkveranstaltungen, sei es 2018 bei der szenischen Lesung „Hört damit auf“ oder im vergangenen Jahr am 8. Mai, haben dies eindringlich gezeigt.“ Und mit Blick auf das Leben der 1927 geborenen Parnass, betonte Präsidentin Veit: „Sie hat einen unschätzbaren Beitrag für das Erinnern und gegen das Vergessen geleistet – in Hamburg und über unsere Landesgrenzen hinaus. Sie bereicherte durch meinungsstarke Auftritte und Äußerungen den öffentlichen Diskurs und war Vorbild für gelebte Vielfalt und Toleranz. Ich bin froh und dankbar, sie als ehemalige Bürgerin unserer Stadt zu wissen. Sie gab viel für die Gemeinschaft und wird uns fehlen. Wir trauern mit ihrer Familie und gemeinsam mit allen Freunden.“

Vielfach ausgezeichnete Hamburgerin
Mit ihrem unermüdlichen Einsatz für Toleranz und Vielfalt galt Peggy Parnass für viele als Ikone der Erinnerungskultur, Minderheitenrechte und der Schwulenbewegung. Neben weiteren Auszeichnungen erhielt Peggy Parnass 2008 das Bundesverdienstkreuz. 2019 verlieh der Hamburger Senat ihr die Hamburgische Ehrendenkmünze.
Peggy Parnass war früh auf sich alleine gestellt. Sie und ihr jüngerer Bruder fanden 1939 in Schweden Schutz vor dem NS-Terror und wuchsen getrennt voneinander in Pflegefamilien auf. Peggy Parnass lebte sechs Jahre lang in zwölf verschiedenen Familien. Kurz vor Kriegsende zog sie gemeinsam mit ihrem Bruder zu einem Onkel nach London, kehrte aber 1948 wieder zurück nach Schweden, wo sie 1951 einen Sohn bekam.
Weltbürgerin, Autorin und Gerichtsreporterin
Peggy Parnass studierte in Stockholm, London, Hamburg und Paris. Sie arbeitete unter anderem als Sprachlehrerin, Filmkritikerin und Dolmetscherin und strebte eine Karriere als Schauspielerin an. Bekannt wurde sie schließlich als Kolumnistin und Autorin. Siebzehn Jahre lang, von 1970 bis 1987, schrieb sie für die Zeitschrift „konkret“ Gerichtsreportagen. Sie begleitete hunderte Gerichtsprozesse, darunter drei Verfahren gegen NS-Kriegsverbrecher, und warf einen kritischen Blick auf die Aufarbeitung der NS-Zeit. Einen Teil ihrer Kolumnen veröffentlichte sie 1992 unter dem Titel „Prozesse 1970-1978“. Auch ihre weiteren Werke, „Unter die Haut“, „Kleine radikale Minderheit“, „Süchtig nach Leben“ und „Mut und Leidenschaft“, wurden zu Bestsellern. Mit ihrem Buch „Kindheit. Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete“ erzählte Peggy Parnass ihre bewegende Kindheitsgeschichte.