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NSU-Komplex: Beginn der wissenschaftlichen Aufarbeitung

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und das Forschungsteam zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des NSU-Komplexes.
© Hamburgische Bürgerschaft/Michael Zapf Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und das Forschungsteam zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des NSU-Komplexes.
14. Februar 2025 Die Hamburgische Bürgerschaft lässt den NSU-Mord an Süleyman Taşköprü wissenschaftlich aufarbeiten. Ein interdisziplinäres Forschungsteam beginnt unabhängige Untersuchung.

Die Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) gehören zu den erschreckendsten Terroranschlägen der jüngeren deutschen Geschichte. Sie konnten nie vollständig aufgeklärt werden, und die Ermittlungen führten zunächst zu falschen Verdächtigungen. Im Jahr 2018 entschuldigte sich die Bürgerschaft bei den Angehörigen. Es bleibt ungeklärt, wie die Verbrechen über einen so langen Zeitraum unentdeckt bleiben konnten.

Die Hamburgische Bürgerschaft hat nun ein Forschungsteam mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des NSU-Mordes an Süleyman Taşköprü in Hamburg beauftragt. Das Ziel ist eine unabhängige Untersuchung der Geschehnisse und eine umfassende Analyse der damaligen Strukturen und Netzwerke.

Interdisziplinärer Forschungsansatz

Das Projekt wurde im April 2023 mit breiter Mehrheit beschlossen (Drs. 22/11561) und wird von der Präsidentin der Bürgerschaft verantwortet. Ein parlamentarischer Beirat begleitet die Untersuchung. Unter Beteiligung von Abgeordneten von SPD, Grünen, CDU und LINKEN. Im Rahmen eines Vergabeverfahrens mit europaweitem Wettbewerb, wurde das Konzept der Ruhr-Universität Bochum für die wissenschaftliche Aufarbeitung ausgewählt.

Das Forschungsteam wird den NSU-Komplex in Hamburg interdisziplinär untersuchen. Neben juristischen und kriminologischen Methoden kommen qualitative sozialwissenschaftliche Interviews und Analysen der politischen Strukturen zum Einsatz. Dabei werden zeitgeschichtliche, strafrechtliche, verwaltungswissenschaftliche und polizeisoziologische Perspektiven kombiniert. Dieser umfassende Ansatz geht über die Möglichkeiten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses hinaus.

Wissenschaftliche Expertise und Akteneinsicht

Zu den beteiligten Forschenden gehören Prof. Dr. Constantin Goschler (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Daniela Hunold (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), Prof. Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy (Universität Bielefeld) und Prof. Dr. Wolfgang Seibel (Universität Konstanz). Sie werden auch organisatorische, kulturelle und stadtgeschichtliche Faktoren analysieren, die zu den NSU-Verbrechen beitrugen.

Die Hamburger Behörden bereiten derzeit ihre Beiträge für die Untersuchung vor. Nach einer ersten Bestandsaufnahme der relevanten Akten, stehen mehrere hundert Aktenordner mit umfangreichen Unterlagen von Polizei, Landeskriminalamt und Verfassungsschutz den Wissenschaftler:innen zur Verfügung. Teilweise sind Freigaben anderer Behörden erforderlich, um die Dokumente vollständig auswerten zu können.

Ziel der wissenschaftlichen Aufarbeitung

Carola Veit, Präsidentin der Bürgerschaft, betont: „Gut vorbereitet geht die wissenschaftliche Aufarbeitung jetzt endlich los. Die Forschenden erhalten vollumfängliche Akteneinsicht – ganz wie ein Untersuchungsausschuss. Ich bin unserem Verfassungsschutz und unserer Polizei dankbar für ihre Kooperationsbereitschaft. Die Aufarbeitung soll dazu beitragen, dass sich rechte Gewalttaten und der NSU-Terror in Hamburg nicht wiederholen. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.“

Prof. Dr. Constantin Goschler, Sprecher des Forschungsteams, erklärt: „Wir sind keine schneidige Untersuchungsausschussvorsitzende, Super-Cops oder hellseherische Profiler, die nun bislang unentdeckte Tatspuren und Hintermänner oder -frauen aufdecken können. In anderer Hinsicht sind wir aber durchaus Fallanalytiker: Unser Fall sind die polizeilichen Ermittlungen und die strafrechtliche Aufarbeitung in Hamburg. Diese sind sowohl im stadtgeschichtlichen Zusammenhang als auch im Kontext der bundesweiten Auseinandersetzung mit den NSU-Morden zu interpretieren.“

Das Forschungsteam geht davon aus, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung etwa drei Jahre in Anspruch nehmen wird. Zwischenberichte sind vorgesehen, um den Fortschritt des Projekts transparent zu machen.

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